Elektronische Tanzmusik in Köln – Interview mit Tobias Thomas (Kompakt)

© Christian Schäfer

Tobias Thomas kam 1992 aus dem beschaulichen Badischen Land nach Köln und wurde schnell Teil der hiesigen Electro-Szene. Seit Anfang an ist er im "inner circle" des berühmten Labels Kompakt unterwegs. Knapp 30 Jahre DJ-Karriere liegen hinter ihm, mehr als 14 Jahre hat er die Party Total Confusion veranstaltet und war von 2000 - 2006 Musikjournalist für die Spex. Nachdem er 2013 als Programmleiter beim c/o pop Festival aufgehört hatte, ist er nun bei Kompakt als Booker, Agent, Projekt- und Künstlermanager angestellt. Ich habe mich mit Tobias Thomas im Plattenladen von Kompakt getroffen, um mit ihm über den Sound of Cologne, die Clubkultur, das Leben in Köln und allgemein über Elektronische Tanzmusik zu reden.

Warum bist du 1992 von Offenburg nach Köln?

Offenburg und das Badische Land sind wirklich schön. Die Landschaft, die Wälder, die Seen. Es riecht bisschen nach Italien mit den Obstbäumen und so. Aber es ist einfach nicht viel los für junge Menschen, die mehr Kultur sehen und aufregende Dinge erleben möchten. Wenn wir wirklich Großstadt-Feeling haben wollten, mussten wir schon bis nach Frankfurt fahren. Über Köln wusste ich anfangs relativ wenig. Man kannte die Namen der Clubs, die man zuhause in den Musikzeitschriften las und man wusste, dass hier viele Medien ansässig waren, wie die Spex oder der WDR. Das hat mich alles interessiert und so bin ich für paar Tage nach Köln gefahren, um mir die Stadt und das Leben dort anzugucken. Und nach kurzer Zeit hat es bei mir gefunkt. Es war echt schön nice hier. Bereut hier hingezogen zu sein habe ich nicht einmal.

Köln fühlt sich nicht so Moloch-mäßig an.

Köln ist aber auch nicht gerade typisch Großstadt.

Köln hat die Struktur und alles, was eine Großstadt braucht, aber gleichzeitig auch einen kleinstädtischen Charakter. Man kennt sich, kurze Wege und durch die einzelnen Stadtteile ist es auch bisschen dörflich. Es fühlt sich nicht so Moloch-mäßig an und für jemanden, der sich gerne mit Menschen umgibt und die Nähe von anderen Leuten sucht, aber nicht in einem Kaff leben möchte, war Köln für mich eine gute Wahl.

So ähnlich war das auch bei mir und dem Sauerland. Wie bist du dann zur Elektronischen Musik und zum Auflegen gekommen?

In den 80ern hat man so viele Einflüsse aus den unterschiedlichsten Musikrichtungen bekommen, dass man sowieso interessiert an neuer Musik war. Durch die Nähe zur französischen Grenze konnten wir Radiosender aus Frankreich empfangen. Die haben viel abseits des Mainstreams gespielt. Dann waren da die Musikmagazine, die man gelesen hat und die eigenen Freunde haben einen auch immer neues Zeug empfohlen. Man hat dann zuhause versucht mit dem Plattenspieler aufzulegen, um überhaupt zu gucken, wie das denn so geht. Mein guter Freund und späterer Kompakt-Mitgründer Michael Mayer konnte das damals schon richtig gut. Und so kam es, dass wir unsere ersten eigenen Partys veranstalteten und aufgelegt haben. Anfang der 90er ist der Musikmarkt ja sowieso explodiert und jede Woche kamen geile und unterschiedlichste Platten raus. Egal, ob Club Soul, Acid Jazz, Deep House oder Garage. Irgendwann war mir dann klar: DAS ist die Musik, die mich am meisten flasht und ich wollte da mitmachen: DJ werden, Partys machen, die Leute zum Tanzen zu bringen und über all das schreiben.

Die einen haben Platten produziert, die einen haben die Platten aufgelegt und die anderen haben darüber geschrieben.

Wie ist dann Kompakt entstanden und was hattest du damit zu tun?

Ein Jahr nachdem ich nach Köln gezogen bin, hat Kompakt, früher hieß das noch Delirium, aufgemacht. Michael Mayer hat da auch direkt angefangen zu arbeiten. Ich war sehr oft da und hab gechillt oder mal an der Kasse ausgeholfen. 1994 haben wir mit Kompakt dann ein eigenes Fanzine rausgebracht: House Attack. Da hatte ich dann meine Rolle in dieser Familie gefunden. Die einen haben Platten produziert, die einen haben die Platten aufgelegt und die anderen haben darüber geschrieben. Ein kreatives, multimediales Team. Ich wollte und bin aber immer meinen eigenen Weg gegangen, obwohl viele Leute es schwer gefallen ist, Dinge, die ich gemacht habe von Kompakt zu trennen. Das hat manchmal genervt (lacht).

Inwiefern?

Für die Leute war es schwer die ganzen Projekte auseinanderzuhalten. Michael Mayer und ich waren ja auch immer als DJ-Couple unterwegs und hatten ja auch unsere Party Total Confusion. Ist das jetzt 'ne Kompakt-Party? Oder ist das doch einfach die Party von Tobi und Michael? Letztendlich ist es aber auch egal, da es ja immer irgendwie eins war. Und jetzt bin mittlerweile vier Jahre wirklich bei Kompakt angestellt (lacht).

Der Spirit muss stimmen.

Mit Kompakt wird auch immer der Begriff "Sound of Cologne" verbunden, der einen regelrechten Hype um Köln geschaffen hatte.

In den 90ern wurde immer viel nach Berlin geguckt und Köln war bisschen außen vor. Obwohl hier eine Szene entstanden ist mit vielen Labels, Konzerten, guten Clubs und Partys. Da wurde es Zeit Standortmarketing zu betreiben. Wir hatten zu der Zeit mit Manfred Post zum Glück einen Pop- und Rock-Beauftragten der Stadt Köln, der unsere Bestrebungen die Stadt weiter nach vorne zu bringen, unterstützt hat. So entstand eine Compilation, die auch "Sound of Cologne" hieß. Da war alles drin: Hip-Hop, House, Techno, Minimal, aber auch Bands, die bisschen nach Madchester Rave klangen. Der Begriff hat damals zur Stärkung der Szene beigetragen, obwohl es auch Leute gab, die sich davon distanzieren wollten. Wir waren aber gerne Köln und ließen uns den Stempel gerne aufdrücken. Kompakt hat auch immer betont, dass es ein Kölner Label ist. Ende der 90er war dann durch den Hype und die Presse im Ausland der Sound of Cologne und Minimal Techno eine gemeinsame Sache. Und durch die heterogene Musik und die Ästhetik von Kompakt haben wir einen eigenen identifizierbaren Style gehabt, der für Leute aus Amerika, Japan oder England leicht greifbar war. Das ist Köln, das ist Kompakt. Dabei waren und sind wir nicht engstirnig oder so. Der Spirit muss stimmen.

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Gibt es den Sound of Cologne heute noch so?

So, wie es ihn damals gab – nein.

Gibt es denn einen neuen Sound of Cologne?

Es gibt viele tolle neue Bands, DJs und Labels in Köln, aber das hat nichts mit dem Sound of Cologne zu tun, wie eben beschrieben wurde. Heute kann man keinen Hype mehr, wie in den 90ern, starten. Es ist durch Social Media auch anstrengend sich zu behaupten. Die Musiklandschaft war damals auch noch freier und nicht so überlaufen wie heute.

Ohne Raum, keine Kultur.

Wie siehst du die Clubkultur heute?

Was ich besonders feier sind kleine Kollektive, wie Cologne Sessions, Dorfjungs, Illusion oder Alaaf and Kickin'. Die machen coole Partys, für sich selbst und für die eigene Community. Die wissen genau, was sie machen wollen und zwängen sich nicht ein, um irgendwelchen Fame abzubekommen oder bestimmte Zielgruppen zu erreichen. Es gibt eine etablierte Clubkultur, die teilweise aber schon zu durchorganisiert ist. Man kann gut in Köln feiern gehen, aber wenn Leute sich die Mühe machen, eine Off-Location zu finden und dort aus Leidenschaft etwas hochziehen, dann ist das was besonderes. Das atmet einfach einen ganz anderen Geist. Wie gesagt, es gibt in Köln tolle Venues und tolle Clubs, aber da steckt teilweise 'ne große Industrie dahinter. Das ist, finde ich, ein Nachteil einer Großstadt: Du hast zwar das Publikum hier, aber durch die Raumknappheit wird es immer schwieriger, etwas neues zu schaffen. Ohne Raum, keine Kultur.

Es finden tatsächlich viele illegale Raves und Partys in Köln statt.

Ich staune immer wieder, wie viele junge Leute es noch gibt, die Bock haben jedes Wochenende irgendwas auf die Beine zu stellen. Manchmal auch in den entferntesten Ecken in Niehl. Das freut mich und da hab ich auch einen Riesenrespekt für. Die müssen nur aufpassen, dass das Ordnungsamt nichts davon mitbekommt, denn Köln ist in dem Sinne eine schwierige Stadt. In einer guten Clubkultur gehört der Wille dazu neue Formen von sozialen Miteinander und neue Räume zu erschließen. Oder auch in der Kunst, wie z.B. am Ebertplatz. Wenn diese neue Freiheit dann genutzt wird, um etwas neues zu zeigen, zu spielen, dann ist das cool und zeigt, dass noch nichts verloren ist (lacht).

Wenn dich jemand fragt, wo man gut zu Electro feiern kann, was empfiehlst du?

Die etablierten Clubs sind, denke ich, hinlänglich bekannt. Es gibt Leute, die feiern lieber in den Ehrenfelder Clubs und andere gehen lieber zum Westbahnhof oder ins belgische Viertel. Wenn ich jedoch neu in der Stadt wäre, würde ich in Plattenläden gehen und dort auf die Plakate gucken. DIY-Partys, wo man anhand der DJ-Namen und der Ästhetik schon sehen kann, ob das was für einen ist. Oder checkt mal 'ne Party im AZ. Ansonsten guckt bei kleineren Kollektiven auf die Social-Media-Kanäle. Neues Fleisch oder Phonovision sind da zum Beispiel coole Partys. Es gibt auf jeden Fall noch viele neue Wege, die man einschlagen kann.

Was sind denn die nächsten Projekte von euch, auf die man sich freuen kann?

Wir feiern mit Kompakt dieses Jahr 25-jährigen Geburtstag, aber bislang haben wir da noch nichts großartiges geplant, aber es wird bestimmt noch einige Geburtstagspartys im Spätsommer und Herbst geben. Dann spielt Wolfgang Voigt mit seinem Projekt GAS am 9. Mai in der Philharmonie. Das ist schon was ganz besonderes. Und die Philharmonie ist doch der schönste Club Kölns.

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