Hört auf, euren Müll als Geschenk zu verkaufen!

© Ben Neale | Unsplash

Gibt es sie eigentlich noch – Kölner Veedel, in denen nicht an jeder zweiten Ecke ein Haufen oder eine Kiste voller Krimskrams und Gedöns mit einem „Zu verschenken“-Schild geparkt wurde? In Ehrenfeld, so scheint es mir, hat gerade jeder irgendetwas zu verschenken – vom Ikea-Regal ohne Regalböden über den 1993er-Brockhaus bis hin zum defekten Kühlschrank. Dem vermeintlichen Altruismus sind keine Grenzen gesetzt. Auch Mikrowellen, Kaffeebecher, Pfennigromane, dreibeinige Stühle und durchgesessene Polstermöbel stehen hoch im Kurs, wenn’s ums Verschenken geht.

Mein bisheriger Favorit: ein kreisrundes Schaumstoffmonster samt Zettel-Botschaft. „Zu verschenken: Boden für Ikea-Zirkuszelt“ stand darauf. Ein „Geschenk“, dessen Nutzen offenbar Erklärungsbedarf hatte. Nur machte die mitgelieferte Gebrauchsanweisung das Ganze auch nicht attraktiver. Wochenlang lehnte das Ungetüm an einer Laterne und schaute mit jedem Tag ein bisschen trauriger aus.

'Beschenkt' wird hier nur einer – und zwar der 'Schenkende' selbst.

Oft fragte ich mich, wer es dort wohl ausgesetzt hatte. Ich stellte mir vor, wie Mama und Papa diesen Zettel schrieben, grinsten, sich gut fühlten. Schließlich würden sie ja etwas verschenken. Sharing is caring. Und wegwerfen – das ist sowieso sowas von 2010. Verschenken statt Wegwerfen, das ist nachhaltig!  So oder so ähnlich mussten sie sich Mut zugesprochen haben. Ob dieser Mut wohl gereicht hatte, um den ungeliebten Schaumstoffklumpen tagsüber mitten im Veedel abzustellen? Oder hatten sie sich dann doch heimlich des Nachts rausgeschlichen, um es still und leise zur Adoption freizugeben?  Ich stellte mir vor, wie sie durch die dunklen Straßen schlichen, wie sie sich umschauten, um sicherzugehen, dass sie auch niemand sehen würde – mit diesem undefinierbaren Monster. Hierhin! Und jetzt schnell weg!

Die Vorstellung amüsierte mich ein wenig. Und gleichzeitig machte sie mich sauer. Weil selbst dem letzten Einzeller klar sein sollte, dass derlei Aktionen allenfalls eines sind: nachhaltig dreist. „Beschenkt“ wird hier nämlich nur einer – und zwar der „Schenkende“ selbst.  Weil er sich den Weg zum Sperrmüll oder Second-Hand-Kaufhaus spart. Endlich wieder Platz in der Bude. Herrlich! Und dabei noch was Gutes getan. Halleluja. Ja, das eigene Ich glaubt  bekanntlich selbst die dämlichste Lüge.

Sicherlich, es hätte sein können, dass ausgerechnet dieses eine Elternpaar, das nach genau diesem Zirkuszeltboden sucht, sich nach Ehrenfeld verirrt und dabei genau an dieser einen Laterne das Objekt der Begierde entdeckt. Klar, es hätte auch sein können, dass eben dieses eine Elternpaar sich nicht an der Vorstellung stört, dass wahrscheinlich schon der ein oder andere Vierbeiner sein Geschäft an diesem Ding verrichtet hatte. Allerdings wäre die Wahrscheinlichkeit, dass ich mit gläsernen Schuhen in einen Kürbis steige, der sich kurz zuvor in eine Kutsche verwandelt hat, wohl höher.

Es gibt zig Möglichkeiten, die besser sind, als Aussortiertes vor die Tür zu stellen.

Mit Wahrscheinlichkeiten haben es viele Menschen aber offenbar nicht mehr so. Oder wie kommt es, dass Ehrenamtliche schon seit Jahren darüber klagen, dass bei Sachspendenaufrufen immer mehr unbrauchbarer Müll abgegeben wird? „Mhm, wie wahrscheinlich ist es wohl, dass irgendjemand meine löchrige, mausgraue Joggingbuchse noch tragen will? Ach komm, Hauptsache weg damit! Außerdem: Die sollen mal nicht undankbar sein – steht ja schließlich ‚adidas‘ drauf.“

Ich weiß nicht, ob wir fachgerechtes Entsorgen verlernt haben, ob es pure Faulheit ist oder doch nur eine gestörte Wahrnehmung dessen, was für andere noch brauchbar sein könnte. Natürlich lässt sich Letzteres nicht pauschalisieren. Wahrscheinlich findet sich in mancher „Geschenkekiste“ tatsächlich etwas, worüber sich vielleicht noch jemand freut. Nur ist das erstens kein Freibrief dafür, den halben Hausstand auf der Straße zu deponieren – und zweitens gehört all das, wofür sich binnen 24 Stunden kein Abnehmer findet, meiner Meinung nach entsorgt. Und zwar selbst und nicht durch die AWB. Die hat dank Corona ohnehin schon alle Hände voll zu tun. Denn: Der Trend, während des Lockdowns in den eigenen vier Wänden mal ordentlich auszumisten, hat dazu geführt, dass die AWB allein im April zusätzliche 250 Kubikmeter Müll auf Kölns Straßen einsammeln durfte. Da zeigt sich, dass es oft vor allem eins ist, was da so großzügig freigegeben wird: Ramsch. Also hört auf, euren Müll als Geschenke zu verkaufen!

 

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