Rohkost im Büro sollte verboten werden

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Wahrscheinlich haben wir alle so ein paar Dinge, über die wir unns immer wieder ärgern – wohlwissend, dass Ärger und stummes In-sich-hinein-Grummeln in den meisten Fällen nicht viel mehr bringt als unschöne Stirnfalten. Man tut es trotzdem: sich ärgern. Gründe gibt es zur Genüge. Manchmal sogar ziemlich gute. Zum Beispiel, wenn mal wieder jemand das Auto auf dem Radweg parkt oder einen Park für den passenden Ort hält, um dort Leergut und Chipstüten zu entsorgen.

Und dann gibt es da noch die weniger guten Gründe, die einen auf ganz irrationale Weise zur Weißglut treiben. In meinem Fall ist das: Rohkost im Büro. Oder besser gesagt: die Geräusche, die dabei entstehen, wenn jemand auf Möhren, Äpfeln oder sonstigem harten Jedöns rumkaut. Höre ich den Sound of Rohkost, dann schaltet sich mein Verstand aus und das Kopfkino an. Ich stelle mir vor, wie ich eine Axt aus der Schublade ziehe, das Büro in Einzelteile zerlege und dann mit blutunterlaufenen Augen und schweißgebadet frage: „Na, schmeckt’s?“

Wäre ich Chef, würde ich ein Rohkost-Verbot oder eine Drinnen-nur-Gekochtes-Klausel im Arbeitsvertrag verankern.

Es mag absurd klingen, ich weiß. Um genau zu sein, weiß ich ja selbst nicht, woher mein abgrundtiefer Hass gegenüber lauter Essgeräusche rührt. Was ich jedoch weiß: Wäre ich Chefin, würde ich ein Rohkost-Verbot oder eine Drinnen-nur-Gekochtes-Klausel im Arbeitsvertrag verankern. Blöd nur, dass ich nun mal keine Arbeitsverträge mache. Genau das hat nämlich dazu geführt, dass ich mich vor ein paar Jahren in einer Situation mit einem Kollegen wiederfand, die ich heute nur noch liebevoll die „Kohlrabigate-Affäre“ nenne.

Monatelang hatte ich es ertragen, dass eben jener Kollege jeden Morgen drei Kohlrabiknollen mit ins Büro brachte. Ungeschält und ungeschnitten wohlgemerkt. Kam ich morgens an, lagen sie schon auf seinem Schreibtisch – und ich wusste: Auch heute würde wieder der Moment kommen, in dem er sich eine dieser übel riechenden Knollen krallen und hineinbeißen würde. Als wäre es ein süßer Apfel. Zu allem Überfluss zählte jener Kollege auch noch zu den Menschen, die großen Wert darauf legen, jeden Bissen mindestens 21 Mal zu kauen. Machte bei drei Kohlrabi und 21 Mal Kauen ungefähr drei Stunden blanker Horror. Täglich.

Wenn beleidigtes Schmollen der Preis für meine ungestörte Konzentration war, dann würde ich ihn eben zahlen.

Weil alles schweres Atmen und lautes Schniefen meinerseits nichts hilf, kam es irgendwann, wie es kommen musste: Wir mussten reden – über den Kohlrabi. Was denn mit mir falsch sei, fragte er mich. Ob ich mit so einer Einstellung denn überhaupt mit anderen Menschen essen gehen könne. Als ich sagte, dass das jetzt ja wohl lächerlich sei und ihm klarmachte, dass das einzig Unnormale das Essen von Kohlrabi im Büro ist, stellte er zwei Tage lang die Kommunikation ein. Und das Kohlrabi-Essen gleich mit. Gut so, dachte ich. Wenn beleidigtes Schmollen der Preis für meine ungestörte Konzentration war, dann würde ich ihn eben zahlen.

Doch die Ruhe währte nicht lange. An Tag drei waren sie wieder da: die Knollen auf seinem Schreibtisch. Er habe nachgedacht, sagte er – und sei zu dem Schluss gekommen, dass er auf seinen Kohlrabi nicht verzichten werde. Aber er habe auch lange über eine Lösung gegrübelt – und schließlich die perfekte gefunden: „eine Kohlrabi-Playlist!“. Er den Kohlrabi, ich die Musik, lautete sein Geniestreich. „Du läufst doch sonst auch immer mit Musik in den Ohren rum.“

„Alles klar“, sagte ich. Ich sparte mir den Hinweis darauf, dass ich die Kopfhörer während der Arbeit nicht ohne Grund ablegte. Weil ich mich ohne Musik nun mal besser konzentrieren konnte. Erst recht ohne solche, die laut genug ist, um sein Kohlrabi-Kauen zu übertönen. Schließlich hatte er ernsthaft über eine Lösung nachgedacht. Meine Lösung lautet allerdings bis heute: Lasst eure Rohkost doch einfach zu Hause! Die ist nämlich schwerverdaulich – nicht nur für euch, sondern im schlimmsten Fall auch für eure Kolleg*innen.

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