Wann hast du zuletzt einen HIV-Test gemacht?

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Ich saß mit einer guten Freundin bei einem Glas Wein zusammen, als wir plötzlich auf ein eher unübliches Samstagabend-Gesprächsthema kamen: HIV. Wir beide gestanden uns ein, dass wir uns bisher nie hatten testen lassen. Den Status unserer Partner kannten wir auch nicht mit Sicherheit – wir waren, wie so viele, lediglich der Meinung, dass da schon alles in Ordnung sein wird. Aber je länger wir uns mit dem Thema auseinandersetzten, desto klarer wurde uns, wie dämlich es eigentlich ist, seinen HIV-Status nicht zu kennen.

„In Deutschland gibt es geschätzt 11.400 Menschen mit HIV, die nicht wissen, dass sie infiziert sind“ – dieser Satz stammt von dem Präsidenten des Robert Koch-Instituts und wurde im November 2018 in der Pressemitteilung zum Welt-Aids-Tag veröffentlicht. Im Jahr 2017 gab es laut dem Institut hierzulande circa 2700 Neuinfektionen mit HIV. Zahlen, die mich durchaus überraschten. Andererseits: Ich kannte nicht einmal meinen eigenen Status, geschweige denn den meines Partners oder meiner vergangenen Beziehungen. Und meiner Freundin ging es nicht anders.

In Deutschland erfahren immer noch sehr viele Menschen erst dann von ihrer HIV-Infektion, wenn sie bereits schwer krank sind.

Als wir daraufhin noch weitere Freunde mit dem Thema konfrontierten, stellte sich heraus: Die wenigsten hatten sich bisher testen lassen. Sie waren schließlich gesund und fit. Und wenn man mal ungeschützten Sex hatte, dann ja nur mit dem langjährigen Partner oder einer Person, bei der man sich das doch so gar nicht vorstellen kann, dass er oder sie infiziert sein könnte. Der klassische Trugschluss: Dass sich das Virus in den ersten Monaten oder Jahren oft kaum oder gar nicht bemerkbar macht, wissen viele nicht. Und in Deutschland erfahren deshalb immer noch sehr viele Menschen erst dann von ihrer HIV-Infektion, wenn sie bereits schwer krank sind. Ergo: Ihr seht eurem Gegenüber die Infektion nicht an.

Dass jemand eine gute Körperhygiene an den Tag legt, ist eine super Sache, lässt aber leider keineswegs auf seinen oder ihren HIV-Status schließen. Und wisst ihr genau, wie das Sexualleben eures Partners, eurer Liebschaft oder eures Several-Nights-Stands vor euch ausgesehen hat? Vermutlich nicht.

Nur wenn ihr euren Status kennt, könnt ihr auch von einer anderen Person verlangen, sich testen zu lassen.

Safer Sex ist deshalb natürlich eine unheimlich wichtige Sache und glücklicherweise auch für viele selbstverständlich. Dennoch kennt wohl fast jeder den Gedanken, dass man ja niemals beim ersten Mal ohne Verhütung miteinander in die Kiste steigen würde – nach dem neunten oder zehnten Mal sieht das aber oft schon ganz anders aus. Man hat Vertrauen gefasst, kennt den anderen und blendet aus, dass man sich theoretisch anstecken könnte.

Deshalb: Lasst euch testen! Nur wenn ihr euren Status kennt, könnt ihr auch von einer anderen Person verlangen, sich testen zu lassen. Und nur auf diese Weise könnt ihr ausschließen, dass ungeschützter Sex kein Risiko füreinander bedeutet.

Der Elefant im Raum, wenn man auf sein Testergebnis wartet.

Eigentlich sollten regelmäßige HIV-Tests längst Pflicht sein – leider ist das aber eben nicht der Fall. Eine rechtzeitig erkannte Infektion kann heutzutage gut in den Griff bekommen werden und man kann mit der richtigen Therapie ein sehr normales Leben führen. Dennoch ist gerade bei jungen Leuten das „sich testen lassen“ irgendwie kein großes Thema. Es mag diverse Gründe geben, weshalb das so ist.

Zunächst ist die Scham vor dem ersten HIV-Test meist groß. Zur Aidshilfe gehen oder sich zum Gesundheitsamt setzen, um sich auf HIV – und am besten auch noch auf Hepatitis und verbreitete STIs (sexuell übertragbare Infektionskrankheiten) – testen zu lassen, ist für die wenigsten eine rosige Vorstellung. Auch für mich und die Freunde, mit denen ich über dieses Thema gesprochen hatte, war eine Hemmschwelle da. Der Elefant im Raum, wenn man auf sein Testergebnis wartet. Letztlich aber stand fest, dass wir definitiv über unseren HIV-Status Bescheid wissen möchten und müssen.

Man braucht keinen Termin, das Ganze läuft anonym ab und innerhalb von 45 Minuten bekommst du dein Ergebnis.

Gemeinsam zum Test zu gehen, kann für viele eine Hilfe sein, so war es auch bei uns. Natürlich ist das Ganze mit einer ordentlichen Portion Adrenalin verbunden – um nicht zu sagen, dass wir die Hosen gestrichen voll hatten – und trotzdem war es letztlich so lächerlich einfach. Man braucht keinen Termin, das Ganze läuft anonym ab, die Menschen im Wartezimmer sind genau so wenig am Bahnhof Zoo eingesammelt worden wie du selbst und innerhalb von 45 Minuten nach der Blutabnahme bekommst du dein Ergebnis.

Meine Freundin und ich hatten uns die Köpfe zerbrochen und schon alle Eventualitäten mit Plänen versehen. Wir beide gingen mit einem HIV-negativ nach Hause. Und für uns stand fest: Ab jetzt lassen wir uns regelmäßig testen und bestehen darauf, dass sich auch unsere (zukünftigen) Partner testen lassen.

Wenn wir offen mit diesem Thema umgehen, darüber sprechen und uns regelmäßig checken lassen – unseren Freunden und Freundesfreunden ebenfalls dazu raten – dann ist HIV hoffentlich in naher Zukunft kein Tabuthema mehr und die Frage „Wann hast du zuletzt einen Test gemacht?“ völlig normal.

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