Liebe zu dritt: Wie aus einem Pärchen ein Trärchen wurde

Simon, Johannes und Matthias (v. l.) sind seit 4 Jahren ein Trärchen. © Axana van der Ra

Neun Jahre sind Simon und Johannes nun schon zusammen. Eine verdammt lange Zeit. Vor allem, wenn man bedenkt, dass sie bei ihrem Kennenlernen gerade mal 18 waren. Ein Paar sind die beiden aber schon seit fünf Jahren nicht mehr – und das nicht etwa, weil sie sich getrennt hätten. Im Gegenteil: Sie haben ihre Beziehung erweitert. Sie sind vom Pärchen zum Trärchen geworden. Nummer drei im Bunde ist Matthias. Gemeinsam führen sie eine Menage a trois, wie die Franzosen zu sagen pflegen. Liebe zu dritt. Oder auch: Polyamorie.

Kennengelernt haben sich die drei auf der Party eines gemeinsamen Freundes. Dort funkt es zwischen Matthias und dem schwulen Pärchen zunächst einmal menschlich. „Wir haben uns einfach total gut verstanden“, sagt Johannes. Die drei Studenten verbringen viel Zeit miteinander. So viel, dass Freunde sich bald fragen, was dahinter steckt. „Mein bester Freund meinte irgendwann, dass das aussieht, als würden wir eine Dreierbeziehung führen“, erinnert sich Matthias.

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Die drei sprechen offen über die Vermutung des Freundes. Hat er Recht? Ist das wirklich mehr als nur Freundschaft? Ist es. Das merken Johannes und Simon spätestens, als sie drei Wochen im Urlaub sind. Sie vermissen Matthias schrecklich, rufen ihn täglich an, schicken ihm unzählige Postkarten. Und auch Matthias weiß: Er hat sich in Johannes und Simon verliebt.

Beziehung zu dritt – kann das gut gehen?

Nach langen Gesprächen treffen die Jungs eine gemeinsame Entscheidung: Sie wollen es miteinander versuchen, zu dritt. Es ist keine ganz einfache Entscheidung. Was, wenn sie am Ende vor einem großen Scherbenhaufen stehen? "Natürlich haben wir darüber nachgedacht, ob das langfristig funktionieren kann und was das mit der Beziehung zwischen Simon und mir macht", sagt Johannes. "Aber gleichzeitig waren wir in unserer Beziehung so gefestigt und haben uns darin so sicher gefühlt, dass wir auch keine wirkliche Angst davor hatten", ergänzt Simon. Also nehmen sie das Risiko in Kauf. Alle drei. Weil es sich richtig anfühlt.

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Einige Freunde schließen Wetten darauf ab, wie lange das Ganze wohl gut geht. Indessen steht den Jungs etwas bevor, was sie heute ihr „zweites Outing“ nennen: Sie müssen ihren Familien sagen, dass sie nun als schwules Trärchen leben. Während Simons Eltern entspannt reagieren, sind die von Johannes zunächst nicht begeistert – vor allem aus Sorge, für den Sohn könnte nun alles noch komplizierter werden. Auch Matthias‘ Mutter hat Angst, dass der sich bald als fünftes Rad am Wagen fühlen könnte.

Heute, fünf Jahre später, wissen Johannes, Simon und Matthias, dass die Sorgen unbegründet waren. „Es ist einfach das perfekte Beziehungsmodell für uns“, sind sie sich einig. „Wenn einer mal Stress oder keine Zeit hat, gibt es da immer noch einen Dritten – niemand fühlt sich einsam“, erklärt Matthias.

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Eifersucht kennen die drei nicht, sagen sie. Weil sie sich vertrauen. Und weil sie über alles reden, viel, ganz offen, direkt und immer zu dritt. Will man dem Geheimnis dieser Beziehung auf die Spur kommen, dann ist es wohl genau das: Reden. „Es gibt natürlich auch Menschen, die würde dieses ständige Ausdiskutieren nerven – aber für uns funktioniert es genau so“, sagt Simon.

Liebe ist wichtiger als Geld

Doch ist das wirklich alles? Reden als Formel für Glück und harmonische Dreisamkeit? Vielleicht nicht ganz. "Wir haben auch andere Trärchen kennengelernt, bei denen es nicht funktioniert hat – weil sie einfach ganz unterschiedliche Dinge wollten und an verschiedenen Punkten in ihrem Leben waren", sagt Simon. Bei ihnen sei das anders. Bisher waren die drei Jungs Studenten. Nun gehen sie sozusagen zeitgleich auf Jobsuche – mit derselben Priorität: Es muss Zeit für einander bleiben. "Karriere ist unwichtig. Ganz oben kommt Beziehung, dann Familie, Freunde und irgendwann dann der Job." Es ist ein Lebensrezept, das alle drei teilen: Die Beziehung zueinander ist und bleibt das Wichtigste.

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Liebe statt Geld also. Weshalb Simon, Johannes und Matthias sich für genau dieses Lebensrezept entschieden haben, versteht man spätestens, wenn man die drei trifft. Sie sind ein eingespieltes Team – drei Jungs, die viel miteinander lachen, aber auch gerne kleine Sticheleien austauschen, die doch immer liebevoll bleiben. Damit auch der Alltag zu dritt funktioniert, haben die Jungs ein paar Tricks entwickelt. Dazu gehört auch, dass es einen Haushaltsplan gibt. "Da trägt jeder ein, was er gemacht hat – und wer zu wenig gemacht hat, zahlt in die Urlaubskasse ein", erklärt Simon. "Und die Urlaubskasse kommt ja dann wieder allen zugute", ergänzt Matthias.

Tatsächlich verreisen die drei wahnsinnig gerne zusammen. "Wir schauen dann einfach, welche günstigen Flüge es gerade gibt und dann suchen wir uns da was Schönes raus", sagt Johannes. Weil klassische Hotel-Doppelzimmer nicht wirklich Trärchen-geeignet sind, buchen sich die Jungs in der Regel eine Ferienwohnung. "Dann gehen wir zusammen einkaufen und kochen was Leckeres", sagt Matthias, der leidenschaftlich gerne leckere Gerichte zaubert und darum in der Küche meist auch das Zepter übernimmt.

Drei Männer auf 50 Quadratmetern

Trotz all der Harmonie: Kleinere Reibereien gibt es natürlich trotzdem. Vor allem, weil die drei sich aktuell eine knapp 50 Quadratmeter kleine Wohnung teilen. Ein Kleiderschrank, ein Schreibtisch – und das für drei Personen. Da kann man sich schon mal über rumliegende Klamotten oder andere Lapalien ärgern. Doch dann gilt: Wenn zwei sich streiten, hilft der Dritte. „Es gibt da immer jemanden, der sich darum bemüht, das Ganze gerade zu rücken“, sagt Johannes.

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Dass ihr Beziehungsmodell ein ungewöhnliches ist, oder zumindest ein seltenes, wissen die Jungs. Verstecken wollen sie sich deswegen aber nicht. Im Gegenteil. Auf Instagram teilen sie Bilder aus ihrem Leben als Trärchen. Und sie beantworten die Fragen ihrer Follower auf einem eigenen YouTube-Channel – vor allem, um Sichtbarkeit und Toleranz gegenüber alternativer Beziehungsmodelle zu schaffen.

Wahrscheinlich wird es Johannes, Simon und Matthias nie ganz gelingen, sämtliche Vorurteile aus dem Weg zu räumen. Aber das müssen sie auch nicht. Schließlich haben sie ihr Glück gefunden. Und ihre Wünsche – das sind auf lange Sicht ohnehin die eines "ganz normalen" Pärchens: Sie wollen Kinder, vielleicht irgendwann ein Haus. Denken sie ans Alter, dann sitzen sie gedanklich irgendwo zusammen am Strand und genießen ihre Rente. Nur eben nicht zu zweit, sondern zu dritt. Als Trärchen eben.

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