Wie kleine Restaurants und Cafés mit der großen Krise umgehen
Als digitales Stadtmagazin interessieren wir uns dafür, wie es den Läden in Köln gerade geht. Wir fragen uns: Wie gehen sie mit der Krise um, welche Hilfen kommen schon an und wie sieht im Moment ihr Blick in die Zukunft aus? Wir wollen daher einige Kölner*innen aus Gastro, Einzelhandel und Co. auf unserer Seite zu Wort kommen lassen.
Nachdem wir bereits in kleinen Einzelhandelsgeschäften und bei Bar-Besitzern umgehört haben, wollen wir im dritten Teil unserer Serie Gastronomen zu Wort kommen lassen. Till vom Johann Schäfer, Alisa vom Madame Tartine und Simon vom Em Ringströßje haben uns einen Einblick in ihr derzeitiges Leben gegeben, sie haben uns verraten, was sich für sie und ihre Läden durch die Krise verändert hat. Danke für eure Offenheit!
Till vom Johann Schäfer
Till ist so etwas wie der Mark Zuckerberg der Kölner Gastro-Szene: Ein junger Typ eben, der es mit einer verdammt schlauen Idee ganz nach oben geschafft hat. Um genau zu sein, sind es sogar mehrere ziemlich clevere Ideen, die auch auf seinem Mist gewachsen sind: Till gehört nämlich zu den Jungs, die das Street Food Festival ins Leben gerufen haben, er hat dafür gesorgt, dass in Köln mit dem "Laden Ein" Deutschlands erstes Pop-up-Restaurant eröffnet wurde und er hat mit dem Johann Schäfer das angestaubte Image von Brauhäusern ordentlich aufpoliert.
Seine tiefe Verwurzelung in der Kölner Gastro-Szene hat in Zeiten von Corona allerdings auch dazu geführt, dass es Till besonders hart getroffen hat: Sämtliche Street-Food-Festivals mussten abgesagt, Aushilfen entlassen und Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden – auch im Johann Schäfer. Als Vorsitzender der IG Gastro – der Interessensgemeinschaft der Kölner Gastronomen – macht sich Till nun für die Forderungen der Branche stark, geht mit der Politik ins Gespräch und arbeitet an Lösungsvorschlägen und Konzepten für eine Zeit nach der Krise.
Wie geht es Dir gerade, was machst Du gerade so?
Mir geht es tatsächlich ganz gut. Es bringt ja nichts, sich den ganzen Tag verrückt zu machen. Also fokussieren wir uns auf das, was wir tun können. Wir versuchen vor allem, das Johann Schäfer auf die Zeit danach vorzubereiten. Das bedeutet, dass wir schauen: Wie können wir künftig vielleicht noch ein bisschen besser aufgestellt sein – beispielsweise, indem das Essen noch einen Tick besser wird. Gerade hat man die Zeit, all das genauer unter die Lupe zu nehmen – das geht im Alltagsstress schnell mal unter.
Andererseits versuche ich, mich für die Überlebenschancen der Branche stark zu machen – indem wir mit Politikern ins Gespräch gehen und Lösungsvorschläge diskutieren. Gerade ist eine Zeit, in der wir endlich mal Gehör finden. Denn normalerweise fehlt der Gastronomie oft die Lobby. Aber jetzt, wo alle merken, wie es sich anfühlt und was fehlt, wenn alle Restaurants geschlossen sind, ist eine gute Zeit, ein paar Weichen für die Zukunft zu stellen.
Was hat sich für Dich und Deinen Laden durch Corona geändert?
Es hat sich alles maximal geändert. Der krasseste Einschnitt ist natürlich, dass wir keinen einzigen Cent Umsatz mehr machen. Aber auch die Tatsache, dass ich hier plötzlich alleine in dem Büro sitze, in dem wir vor ein paar Wochen noch mit mehreren Leuten zusammen gearbeitet haben, ist einfach total seltsam. Hinzukommt die familiäre Situation – plötzlich sind die Kinder den ganzen Tag zu Hause, dürfen ihre Freunde nicht treffen und man muss das als Familie alles irgendwie managen.
Wie hat das Johann Schäfer auf die Situation reagiert?
Wir haben das Johann Schäfer geschlossen, mussten Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken und Aushilfen entlassen. Da blutet einem natürlich das Herz, wenn du Leute gehen lassen musst, mit denen du über Jahre lang zusammen gearbeitet hast.
Habt ihr Unterstützung bekommen und wie kann man euch supporten?
Wer uns privat unterstützen will, der kann natürlich Gutscheine kaufen – das ist eine tolle Motivation und am Ende auch ein zinsloses Darlehen, das wir gut gebrauchen können. Außerdem gibt es bei uns am 8. und 9. Mai einen Werksverkauf, denn unser Lager ist voller Johann-Schäfer-Flaschenbier. Da kann man sich sozusagen für den guten Zweck mit Südstadt-Pils und Chlodwig-Weizen eindecken.
Von staatlicher Seite aus wurde der Gastronomie mit dem Kurzarbeitergeld und den Soforthilfen aber auf jeden Fall auch schnell und gut geholfen. Selbst diejenigen, die vorher nicht so gut da standen, können damit die ersten Wochen überbrücken. Das viel größere Problem wird sein, was danach kommt.
Wie sieht im Moment deine Zukunftsprognose aus?
Die Gastronomie wird irgendwann wieder eröffnen dürfen, aber unter strengen Auflagen. Es werden Abstandsregeln gelten und die Abläufe werden sich ändern. Am Ende des Tages wird das auch bedeuten, dass wir viel weniger Gäste bedienen können als vorher. Und genau da liegt das Problem. Denn sobald wir den Apparat wieder anknipsen, sind die Betriebskosten dieselben, aber mit weniger Tischen. Das ist eine Herausforderung, bei der ich aktuell noch nicht sehe, wie Gastronomen die meistern sollen.
Was gibt euch Hoffnung und was wünscht ihr euch gerade?
Ich hoffe vor allem auf die Unterstützung der Lokalpolitik. Es gibt aktuell eine Initiative, die sich dafür ausspricht, dass Restaurants nach der Wiedereröffnung auch Parkplätze und freie Nebenflächen für Außengastro nutzen dürfen, um den fehlenden Platz durch die Abstandsregeln zu kompensieren. Derzeit sieht es ganz gut aus, denn die Bezirksvertretung ist da auf unserer Seite. Wenn es gelingt, das unbürokratisch auch mit der Verwaltung umzusetzen, dann wäre damit auf jeden Fall vielen Gastronomen geholfen.
Außerdem wäre es wünschenswert, wenn sich die Politik frühzeitig Gedanken machen würde über einen Maßnahmenkatalog, den Gastronomen umsetzen müssen, sobald es wieder losgeht. Wie viele Desinfektionsmittelspender brauchen wir, wer muss Masken tragen, brauchen wir vielleicht eine Plexiglasscheibe an der Theke – all das sind Fragen, die man auch ohne konkretes Datum für die Wiedereröffnung frühzeitig planen kann und sollte, damit wir alle gut vorbereitet sind, wenn es soweit ist.
Alisa vom Madame Tartine
Alisa hat das Madame Tartine in Ehrenfeld im Herbst 2017 übernommen. Seitdem ist das kleine Café nicht nur für seine himmlischen Mandelcroissants bekannt, sondern auch für die vielen verführerischen Kuchenkreationen, die die junge Kölnerin zaubert – und ja, auch für das Bananenbrot würde manch einer töten.
Als klar war, dass sie ihren Laden wegen der Corona-Pandemie schließen muss, hat Alisa nicht lange gefackelt. Statt abzuwarten, ob der Staat hilft, hat sie sich einen Übergangsjob gesucht – oder besser gesagt: zwei. Inzwischen sitzt sie beinahe täglich hinter einer Supermarktkasse oder räumt Regale in einem Drogeriemarkt ein. Beides Knochenjobs – doch jammern gilt bei Alisa nicht.
Wie geht es Dir gerade, was machst Du gerade so?
Mir gehts eigentlich ganz gut. Ich arbeite im Moment beim dm und Lidl. Dadurch habe ich relativ viel zu tun und ich muss nicht allzu viel über die Situation nachdenken.
Was hat sich für Dich und Deinen Laden durch Corona geändert?
Alles. Außer dass die Fixkosten weiterlaufen, gibt’s das Madame Tartine gerade nicht.
Wie hast du auf die Situation reagiert?
Ich habe all meine Aushilfen kündigen müssen. Alle Kosten, die man reduzieren konnte, habe ich reduziert. Und dann hab ich mir zur Überbrückung einen neuen Job gesucht – oder besser gesagt zwei.
Hast du Unterstützung bekommen und wie kann man dich supporten?
Ja, wir haben die Soforthilfe vom Staat innerhalb weniger Tage überwiesen bekommen. Und viele Stammgäste haben mir geschrieben, um Gutscheine zu erwerben. Diese kann man direkt bei uns oder aber beim Veedelsretter kaufen.
Wie sieht im Moment deine Zukunftsprognose aus?
Da das Café relativ klein ist, gehe ich davon aus, dass wir bis mindestens Mitte Mai nicht wieder öffnen dürfen. Einfach, weil ich glaube, dass ein Mindestabstand eingehalten werden muss, den wir bei uns im Café kaum gewährleisten können.
Was gibt euch Hoffnung und was wünscht ihr euch gerade?
Wir hoffen und wünschen uns Normalität. Dass wir jeden Tag wieder für unsere Gäste da sein können. Das fehlt uns allen so sehr!
Simon vom Em Ringströßje
Simon betreibt zusammen mit seinem Geschäftspartner René das Em Ringströßje in Müngersdorf. Die beiden haben die Traditonskneipe erst vor Kurzem übernommen und dem Gasthaus neues Leben eingehaucht – moderner geht es jetzt nicht nur optisch, sondern auch kulinarisch zu. Simon und René haben eine Art Kölsches-Mezze-Prinzip eingeführt, sodass Gäste Hauptgericht und Beilagen nach Belieben kombinieren können.
Dass sie ihr Lokal so kurz nach der Wiedereröffnung wegen Corona wieder schließen müssen, hat natürlich keiner von beiden erwartet. Doch die beiden haben besonnen reagiert: Nach anfänglicher Schließung und genügend Zeit, eine Hygiene-Konzept zu entwickeln, geben sie nun beim Außer-Haus-Geschäft Vollgas und haben sogar eine Spargelkarte im Programm.
Wie geht es Dir gerade, was machst Du gerade so?
Mir geht es momentan wunderbar. Aktuell bereiten wir uns auf unsere erste Woche in der Spargelsaison vor und experimentieren an einem "Signature-Meal" – natürlich basierend auf unserem leckeren regionalem Spargel vom vertrauensvollen Bauernhof nebenan. Ansonsten steht bei meiner Frau und mir Nachwuchs an und bei der Gestaltung des Kinderzimmers kann man sich auch ganz gut austoben.
Was hat sich für Dich und Deinen Laden durch Corona geändert?
Das ist natürlich alles ganz schön speziell. Sowohl geschäftlich als auch privat. Generell halte ich mich ganz brav an die aufgestellten Regeln und Empfehlungen, da ich der Meinung bin, dass es um mehr als nur um einen persönlich geht. Zudem habe ich in der Familie ein paar eher "Gefährdete", sodass ich da anders sensibilisiert bin. Vorsicht ist besser als Nachsicht und ich möchte nicht hinterher sagen "Ach hätten wir mal..." – ich "habe dann", glücklicherweise.
Tja, im Laden...ich glaube über die Situation der Gastronomen ist unendlich viel und ausreichend gesagt worden; wie schwierig es ist, welche Ungewissheit herrscht etc. Uns hat es natürlich auch erst einmal in die Knie gezwungen. Nach einer einwöchigen Schockstarre haben wir einfach unsere Krönchen gerichtet und uns überlegt, was wir tun müssen bzw. auch tun können. Und siehe da, es sind ein paar feine neue Ideen entstanden.
Wie habt ihr auf die Situation reagiert?
Wie gesagt, erst Schockstarre, dann weiter denken. Zuerst haben wir uns natürlich nach Möglichkeiten erkundigt: Direkthilfen, Versicherungsschutz, Stundungsmöglichkeiten usw. Dann haben wir uns zusammengesetzt und besprochen, wie wir als kleines Restaurant damit umgehen wollen und uns dazu entschlossen, einfach auszuprobieren und "zu machen" – in dem Rahmen, der uns noch bleibt.
Wir haben die Gelegenheit genutzt und einen Liefer- und Abholservice in kurzer Zeit aus dem Boden gestampft. Natürlich fahren wir damit keinen Gewinn ein, aber wir probieren uns in einem vielleicht auch in der Zukunft ergänzenden Geschäftsfeld aus. So sitzen wir nicht tatenlos rum und bleiben bei unseren Gästen im Gespräch. Wir erwirken so, dass wir unsere Fixkosten tragen können und auch, dass unser Koch nicht in eine hundertprozentige Kurzarbeit gehen muss. Wir nehmen da ganz viele Learnings mit und bereiten uns so auf die "Nach-Corona-Zeit" vor. Ich verstehe aber auch, dass das nicht jeder gastronomische Betrieb einfach so kann.
Habt ihr Unterstützung bekommen und wie kann man euch supporten?
Das ist so eine Sache. Fest steht, dass wir gerade versuchen, uns selbst durch die Krise zu tragen. Staatlich haben wir natürlich den Direkthilfeantrag gestellt, wir sind aber so ein Grenzfall, weil wir den Laden erst Anfang des Jahres übernommen haben und so eigentlich nicht in den Kreis der zu unterstützenden Läden fallen. Wie gesagt ist es aber ein Grenzfall, der gerade geprüft wird.
Glücklicherweise haben wir im Rahmen unserer Versicherungen tatsächlich durch Zufall das Kreuzchen an der richtigen Stelle gemacht und sind für einen gewissen Zeitraum gegen Umsatzausfälle versichert. Das liegt plusminus im Rahmen der Direkthilfe, die wir bekämen und dann gäbe es eh nur ein entweder oder.
Am besten kann man uns aber eigentlich unterstützen, indem man einfach bei uns bestellt. Zumal es auch nicht unbedingt so viele Liefer- und Abholservices gibt, die traditionelle gutbürgerliche Küche frisch zubereitet anbieten. Unser Angebot findet man auf der Website und bei Facebook, aber auch bei Instagram sind wir auch sehr aktiv und immer aktuell. Und jetzt kommt eben noch die Spargelzeit hinzu. Wir bleiben einfach dran. Und wer das nicht möchte, der kann uns natürlich auch per Gutschein oder Spende unterstützen. Das muss ich aber visuell noch liebevoller gestalten. Gutscheine kann man aber trotzdem schon kaufen.
Wie sieht im Moment eure Zukunftsprognose aus?
Schwieriges Thema so ein Glaskugel-Ding. Ich glaube, dass das alles leider noch länger dauert. Das hängt jetzt von der Gesellschaft ab, wie diszipliniert man trotz der Restriktionslockerungen bleibt. Jetzt dürfen die Leute wieder raus, wenn sie nicht aufpassen kommt wieder eine Art Lockdown. Katz-und-Maus-Spiel, was aber gesundheitlich meiner Meinung nach sinnhaft ist. Die Gastronomie wird es weiterhin schwer haben. Vielleicht dürfen kleinere Betriebe wieder öffnen, sich entsprechend der Abstandsregelungen in einem Freiraum bewegen und dann schaut man, wie es so funktioniert und ob es allen überhaupt Spaß macht, mit Mundschutz bedient zu werden und mit maximal zwei Personen an einem Tisch ein leckeres Essen zu geniessen. Ich glaube aber, dass ein fetter Run auf die Gastronomie ansteht, wenn das meiste überstanden ist. Die Leute wollen raus, gesellig sein – insbesondere die Kölner!
Was gibt euch Hoffnung und was wünscht ihr euch gerade?
Das hat was Ironisches. Irgendwie gibt uns das "typisch Deutsche" tatsächlich etwas Hoffnung. Die Korrektheit, die Disziplin, das Verständnis füreinander. Die Leute ticken auf einmal wieder anders und sind mehr bei sich. Das hat irgendwie was Schönes und ich würde mich sehr freuen, wenn nach der Krise diese Solidarität untereinander nicht so schnell verschwindet. Hinzukommt, dass das alles bisher in Deutschland auch von politischer Seite im Großen und Ganzen alles sehr gut und schnell behandelt wird. Ob im Gesundheitswesen, Finanzwesen oder im Bildungssegment. Wenn man sich vorstellt, was alles in den letzten vier Wochen auf den Weg gebracht wurde. Unkompliziert, unvergleichbar unbürokratisch. Was für ein Meilenstein in der deutschen Denke. Vielleicht bleibt davon ja etwas in den Köpfen übrig. Und wie gesagt: Es wird die coronafreie Zeit kommen und da feiern wir einfach umso mehr! Bis dahin Blick nach vorne und Abfahrt!