Köln-Kolumne: Wer in Köln mit dem Rad fährt, hat ein Rad ab – oder?

© Nicola Dreksler

Wir lieben Köln. Genau darum gehen wir permanent auf Entdeckungstour und teilen jede Woche unsere besten Tipps mit euch. Dabei stoßen wir nicht nur auf spannende Orte, sondern auch auf Gefühle, Stimmungen und Meinungen, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends regelmäßig festhalten. Diese Kolumne ist der Platz, an dem unsere Redaktionsleiterin Christin ihre Gedanken zu Köln und dem, was ihr in der Stadt begegnet, teilt. Heute: Wer mit dem Rad fährt, hat ein Rad ab – oder?

Um in Köln Fahrrad zu fahren, muss man vor allem eines sein: lebensmüde. Behauptet zumindest Jan Böhmermann. Und glaubt man dem, was Fahrradfahrer*innen in Köln so sagen, hat er damit auch recht. Beim aktuellen ADFC-Fahrradklima-Test ist Köln – mal wieder – auf dem letzten Platz gelandet. Mit einer Schulnote von 4,37 gehört die Stadt demnach schon seit Jahren zu den Sitzenbleibern der Nation.

Und ja, wer regelmäßig mit dem Rad in Köln unterwegs ist, wundert sich nicht, dass einem die Venloer Straße im NRW-Verkehrsunfallatlas schon aus der Ferne in warnendem Rot als Unfall-Hotspot anleuchtet. Dass Radler*innen dort in einem ständigen Balanceakt zwischen Regenrinne, zu schmaler Radspur und chaotischem Verkehr um ihren Platz auf der Straße kämpfen müssen, ist stadtbekannt. Nicht weniger berühmt-berüchtigt: die Bahnschienen auf der Zülpicher Straße. Schon manch Radreifen hat sich darin verfangen – mit schmerzhaften Folgen für die Velofahrer*innen.

Oder schneidet Köln in Sachen Zweiradtauglichkeit nur so schlecht ab, weil Radfahrer*innen eines besonders gut können: über alles und jede*n meckern?

Weitere gefährliche Ecken für Radler*innen gibt es in Köln zur Genüge – keine Frage. Doch hat die nicht jede andere Stadt auch? Ist Köln wirklich so fahrradunfreundlich, wie alle behaupten – oder schneiden wir in Sachen Zweiradtauglichkeit nur so schlecht ab, weil Radfahrer*innen eines besonders gut können: über alles und jede*n meckern?

Dass Radler*innen zu den Beschwerbären der Nation gehören, habe ich schon vor Jahren gelernt. Nicht in Köln, sondern in Bremerhaven. Dort durfte ich während meines Volontariats bei der Nordsee-Zeitung nämlich eine Radfahr-Kolumne schreiben – und auch dort lautete der Tenor der Rad-Community: Alles schlecht, alles gefährlich, alles ein Skandal! Dabei gilt das Bundesland Bremen, zu dem auch Bremerhaven gehört, seit geraumer Zeit als besonders velofreundlich und belegt im Fahrradklima-Ranking aktuell den ersten Platz. Hat die Nörgelei also Früchte getragen oder haben die Nordlichter einfach erkannt, dass doch alles gar nicht so schlimm ist?

Ein Blick nach München zeigt wiederum: Die sonst so granteligen Bayer*innen sind mit dem Fahrradklima ihrer Landeshauptstadt gar nicht so unzufrieden (Platz 4) – dabei liegt die Zahl der Radunfälle höher als in Köln. Während es 2021 in München 2975 Rad-Unfälle mit insgesamt vier Toten gab, waren es in Köln 1739 Rad-Unfälle mit zwei Toten.

Vor allem in letzter Zeit scheint die Stadt Köln beim Rad endlich das Gaspedal gefunden zu haben.

Versteht mich nicht falsch – das sind natürlich immer noch zwei Tote und mehr als 1700 Unfälle zu viel. Doch es zeigt eben auch, dass wir Köln vielleicht ein bisschen schlechter machen, als es ist.

Vor allem in letzter Zeit scheint die Stadt Köln beim Rad endlich das Gaspedal gefunden zu haben. Allein in 2020 wurde doppelt so viel Geld für die Sanierung von Radwegen ausgegeben wie in 2018 und 2019 zusammen. Ständig entstehen neue Radwege, Fahrradstreifen und Abstellmöglichkeiten für Velos. Und der Autoverkehr wird endlich eingedämmt. Nicht nur die Ehrenstraße ist inzwischen autofrei – auch auf der Deutzer Freiheit müssen PKWs ab heute (10. Juni 2022) ein Jahr lang draußen bleiben. Und: Die Venloer Straße soll zur Einbahnstraße werden.

Klar ist auch, dass nach Jahrzehnten Planung für eine autogerechte Stadt noch ein langer Weg vor uns liegt.
Pressesprecherin der Stadt Köln

Klar – dass in der "Brummbrumm-Metropole" Köln endlich etwas passiert, ist längst überfällig. Und ja, die Stadt muss mehr Gas geben, wenn sie tatsächlich zur fahrradfreundlichen Metropole werden will – das gibt die Verwaltung sogar zu. Sie selbst sieht sich nämlich längst nicht am Ziel, sondern allenfalls "auf einem guten Weg zu einer fahrradfreundlichen Stadt". So hat es mir zumindest eine Pressesprecherin erklärt, die ich um eine kleine Selbsteinschätzung der Verwaltung gebeten habe. Und sie räumte ein: "Klar ist auch, dass nach Jahrzehnten Planung für eine autogerechte Stadt noch ein langer Weg vor uns liegt."

Einsicht ist also vorhanden – und die ist bekanntlich der erste Weg zur Besserung. Vielleicht wäre es also an der Zeit, Köln nicht immer nur schlecht zu machen, wenn es ums Radfahren geht. Denn – auch das hat Jan Böhmermann gesagt – unsere Stadt hat das Potential, Münster als deutsche Fahrradhauptstadt abzulösen. Schon allein wegen der natürlich Gegebenheiten: keine Berge, kurze Wege und eine "geile Grundstimmung in der Stadt".

Daran gilt es anzuknüpfen. Denn wer ernsthaft will, dass mehr Menschen aufs Rad steigen, täte wohl gut daran, nicht ständig nur zu wiederholen, wie beschissen die Lage für Radfahrer*innen doch ist, sondern auch mal auf die positiven Entwicklungen hinzuweisen. Und wer weiß, vielleicht kann mir die Verwaltung in ein paar Jahren dann ja auch folgende Frage, die sie diesmal noch unkommentiert ließ, ja endlich mit einem klaren "Nein" beantworten: Hat unsere Oberbürgermeisterin Henriette Reker eigentlich immer noch Angst, in Köln Fahrrad zu fahren?

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