Köln-Kolumne: Eure Schmierereien sind einfach nur ehrlos!

© Christin Otto

Wir lieben Köln. Genau darum gehen wir permanent auf Entdeckungstour und teilen jede Woche unsere besten Tipps mit euch. Dabei stoßen wir nicht nur auf spannende Orte, sondern auch auf Gefühle, Stimmungen und Meinungen, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends regelmäßig festhalten. Diese Kolumne ist der Platz, an dem unsere Kölner Redaktionsleiterin Christin ihre Gedanken zu Köln und dem, was ihr in der Stadt begegnet ist, teilt. Heute: Eure Schmierereien sind einfach nur ehrlos!

Mit "Ehre" zu argumentieren, ist immer ein bisschen unangenehm. Schließlich wird im Namen der Ehre aller möglicher Blödsinn veranstaltet. Überhaupt, "Ehre", was soll das eigentlich sein? Katharina Blum hat sie verloren – immerhin so viel weiß ich noch aus meinem Deutsch-Leistungskurs. Aber abgesehen davon bleibt "Ehre" für mich ein eher schwammiger Begriff. Einer, bei dem ich immer ein bisschen an große Egos weißer Cis-Männer denken muss.

Was ehrlos – oder wie K.I.Z. sagen würde: ehrenlos – ist, davon habe ich dann seltsamerweise doch eine genaue Vorstellung. Weil dieses Wort so wunderbar präzise die Abwesenheit von Anstand und Respekt beschreibt. Und weil es genau das Adjektiv ist, das mir zuallererst durch den Kopf schießt, wenn ich mal wieder eine der vielen Häuserwände oder liebevoll gestalteten Murals in Köln sehe, die durch Graffiti-Tags und Edding-Schmierereien verunstaltet wurden.

Wände, die gerade gestrichen wurden, charmante Altbauten, Brücken – kaum ein Ort ist vor der Selbstherrlichkeit aus Spraydosen sicher. Nicht einmal andere Urban Art.

Es gab eine Zeit, da habe ich meinen Nachbarn regelmäßig seine Hauswand schrubben sehen – bewaffnet mit den unterschiedlichsten Mittelchen, um den Schmierereien zu Leibe zu rücken. Inzwischen scheint er den Kampf aufgegeben zu haben.

Er ist nicht der einzige, der müde geworden ist. In Köln entdecke ich gefühlt an jedem zweiten Haus irgendein Gekritzel ohne erkennbare Message oder Stil. Wände, die gerade erst gestrichen wurden, charmante Altbauten, Brücken – kaum ein Ort ist vor der Selbstherrlichkeit aus Spraydosen und Edding-Stiften sicher. Nicht einmal andere Urban Art. Man muss sich nur den Ehrenfelder Bahnhof anschauen. Dort haben vor ein paar Jahren John Iven und Ron Voigt von Goodlack Art die beiden Unterführungen liebevoll neugestaltet. Frei von Graffiti-Tags ist heute keine mehr.

Mich macht das wütend – obwohl ich selbst weder Hausbesitzerin noch Street-Artistin bin. Trotzdem will es mir nicht in den Kopf, dass Menschen sich das Recht herausnehmen, Dinge auf diese Art und Weise zu zerstören. Dinge, in die andere viel Geld oder zumindest viel Zeit und Liebe gesteckt haben.

Obwohl man für das Bedienen einer Spraydose das Säuglingsalter wohl überschritten haben sollte, verhalten sich die Schöpfer*innen der Graffiti-Tags wie Kleinkinder im Sandkasten, die das dringende Bedürfnis haben, die Sandburgen fremder Kids mit ihrer kleinen Terror-Schaufel zu zerkloppen.

Wer unbefleckte Gebäude behandelt, als hätte er oder sie gerade eine leere Leinwand in einer "Zu Verschenken"-Kiste entdeckt, verhält sich nicht nur ehrlos, sondern schadet auch der gesamten Urban-Art-Szene.

Und ja, es ist mir vollkommen egal, welche von außen nicht erkennbare Message sich vielleicht hinter den zwei bis elf Buchstaben in Grundschüler*innen-Handschrift verbirgt. Wer unbefleckte Hauswände und Gebäude behandelt, als hätte er oder sie gerade eine leere Leinwand in einer "Zu Verschenken"-Kiste entdeckt, verhält sich nicht nur ehrlos, sondern schadet auch der gesamten Urban-Art-Szene.

Denn es gibt sie ja – die Urban Art, die unsere Stadt nicht nur bunter, sondern auch schöner macht. Kreative Kunstwerke, die man sich gerne anschaut, die zum Nachdenken anregen oder ein Lächeln ins Gesicht zaubern. So wie die sweeten Kacheln von Sweetsnini, die gesellschaftskritischen Paste-ups von seileise und Adultremix oder die imposanten Murals vom Kölner Künstlerkollektiv Captain Borderline, von Onkel Dose und vielen weiteren. Von Künstler*innen, die nicht nur Respekt vor Denkmalschutz haben, sondern auch vor den Arbeiten anderer.

Meine Empfehlung an die selbstverliebten Tag-Kinder hingegen lautet: Tobt euch doch in euren eigenen vier Wänden aus!

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