Was mir an Köln auffällt, wenn ich länger in Berlin war

© NilsPixabay

Ah, Berlin. Dickes B, Home an der Spree. Zwar ist Berlin nicht mein Home, wie es Seeed in ihrer Hauptstadt-Hymne singen. Aber immerhin mein Lieblingsfluchtort, wenn ich neue Eindrücke brauche. Stand lange kein Tapetenwechsel an, bekomme ich sogar das Gefühl, dass mich Köln erdrückt. Die Stadt wird mir dann im wahrsten Sinne des Wortes zu klein.

Womit wir direkt bei der ersten Sache wären, die mir sofort auffällt, wenn ich länger in Berlin war: Alles an Köln ist furchtbar klein – den Dom mal ausgenommen. Wenn man hingegen in Berlin die monströsen Straßen überquert, muss man aufpassen, nicht in ein schwarzes Loch gesogen und in einer dunklen Ecke des Berghain neben britischen Ryanair-Tourist*innen wieder ausgespuckt zu werden. Berlin kleckert nicht, es klotzt. Und Köln, naja.

Kurze Wege versus gefühlte Weltumrundung

Köln ist klein und süß und probt gerne mal Großstadt. Insbesondere wenn der Karneval sein wunderschönes Unwesen treibt. Die jährlich versagenden Konzepte zur Regelung der Besucherströme zeigen allerdings: Nein, Großstadt können wir noch nicht so richtig.

Was viele, inklusive mir, allerdings vergessen, wenn sie sich darüber beschweren, wie klein Köln (angeblich) ist: Es gibt noch andere Stadtteile außer dem Belgischen Viertel, Ehrenfeld und der Südstadt. Die kann man sehen, wenn man ein bisschen länger in der S11 sitzen bleibt.

Allerdings ist die fehlende Weite Kölns auch ein Gewinn. In Kölle kann man – theoretisch – überall hinspazieren. In der Hauptstadt muss man sich auf eine halbe Weltreise gefasst machen, wenn man den Stadtteil wechseln möchte.

Kölscher Pragmatismus versus Berliner Paläste

Kölns Seele ist uralt, die Stadt teilt sich ihren Geburtstag (fast) mit Jesus. Und wie allgemein bekannt ist, bringt das hohe Alter einer Stadt Überreste ansehnlicher Baukunst mit sich. Eigentlich. Berlin zumindest ist voll von Mini-Palästen mit monströsen Hauseingängen – Letztere allein könnte man wohl schon als Unterkunft vermieten. Vielleicht ist das sogar schon passiert, in Berlin weiß man ja nie.

Die Domstadt muss im Vergleich dazu klare Minuspunkte einstecken, Weltkulturerbe hin oder her. Das architektonische Antlitz unserer Stadt würde man wohl am ehesten als "praktisch" betiteln. Manch eine*r könnte bei all den Baustellen in Köln jedoch hoffnungsvoll werden. Vielleicht verschönern wir uns ja? Wenn man sich allerdings anschaut, wie – nennen wir es mal: gelassen – Kölner Baumeister*innen mit Zeitplänen und Kosten umgehen, sollte man diese Hoffnungen besser schnell begraben.

Ich selber wohne in einem Gebäude, an dem seit 2018 gebaut wird. Seither heißt es immer wieder: Ende des Jahres soll alles fertig sein. Überraschung: Die Bauarbeiten dauern immer noch an.

Kölsche Gelassenheit versus Berliner Härte

Aber kommen wir zu den inneren Werten. Zum Feeling – oder wie wir hier sagen: zum Jeföhl. Die Hauptstadt umweht ein rauer und kalter Wind. Wenn man neu in Berlin ist, ist das Freund*innenfinden fast immer ein zäher und schwieriger Prozess. Ich kenne viele Ex-Berliner*innen, die es nach ihrer Zeit in der Hauptstadt zurück ins warme und schusselige Köln gezogen hat.

Klar, das kölsche Klüngel-Gehabe kann nervig sein, allerdings wage ich zu behaupten, dass wir Kölner*innen weit vorne sind, was das Integrieren von Neuen (selbst Imis!) in unsere Reihen angeht. "Drink doch ene met" wird hier gelebt und nicht nur als Werbespruch genutzt.

Kölscher Witz versus Berliner Schnauze

Die Berliner Schnauze tut oft weh und lässt einen fragend zurück: War das gerade ein Witz oder doch eine ernst gemeinte Beleidigung? Man weiß es nicht. Ein Beispiel: Als ich länger an einer Berliner Currywurstbude stand, weil ich mich nicht entscheiden konnte, ließ mich die Verkäuferin wissen, dass sie froh ist, dass es nur zwei Wurstsorten gibt. Ansonsten bestünde ja die Gefahr, dass sie mich in absehbarer Zeit nicht mehr loswird. Autsch.

Nicht falsch verstehen, ich finde die deutsche Ehrlichkeit und Direktheit gut. Nur sind wir Kölner*innen ein kleines bisschen freundlicher als unsere Berliner Kolleg*innen. Insbesondere wenn es ums Witze geht. Und das mag ich sehr. Jedes noch so sensible Pflänzchen kann nicht anders, als ein kleines bisschen zu grinsen, wenn die Kölner*innen ein Witzchen auf seine Kosten machen.

Ende gut, alles gut

Schlussendlich sind Erfahrungen immer subjektiv. Sollte sich also jemand – auf Berliner oder Kölner Seite – über meine Deutungen geärgert haben, plädiere ich dafür, diesen Text mit dem kölschen Augenzwinkern zu lesen. Denn einen festen Platz in meinem Herzen werden beide Städte immer haben.

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