Der ultimative Alman-Move: Ordnungsamt rufen!

© Tessniem Kadiri

In ihrer Kolumne "Köln, was geht?" schreibt Tessniem über das, was ihr in ihrer Wahlheimat Köln begegnet, was sie bewegt, zum Lachen, aber vielleicht auch zum Weinen oder Nachdenken bringt. Hier am Rhein fühlt sich die gebürtige Pott-Deutsche angekommen, denn sie hat sich in die "Köllefornia Vibes" verliebt. Ihr habt Rückmeldungen, Fragen, Feedback oder Liebesbriefe für Tessniem? Dann schreibt ihr einfach!

Anstrengende Nachbar*innen kenne ich schon aus meiner Kindheit. Meine Eltern hatten früher Stress mit dem Paar von nebenan, weil die nicht wollten, dass wir einen Gartenzaun bauen. Ein weiterer Nachbar hat sogar mehrfach unsere Reifen zerstochen – vermutlich weil wir als einzige migrantisch geprägte Familie in die Straße gezogen sind.

Ihr merkt: Ich wurde in puncto "anstrengende Nachbarschaft" früh abgehärtet. Dass ich selbst mal zur Nachbarin werden würde, die mit dem Besen auf den Boden klopft, hätte ich damals für unmöglich gehalten. Nur kannte ich zu dem Zeitpunkt meine aktuellen Nachbar*innen in Köln noch nicht.

Nun sitze ich hier in meiner WG in Ehrenfeld und frage mich mal wieder: Wann ist es ok, das Ordnungsamt zu rufen? Ist das überhaupt ok? Ich atme tief durch und entscheide mich, anderswo Hilfe zu suchen: "ChatGPT, was kann ich gegen meine lauten Nachbarn tun?"

Offenbar gibt es Menschen, die selbst meine Schmerzgrenze überschreiten. Und wie es aussieht, leben sie alle im gleichen Gebäude wie ich.

Ja, offenbar gibt es sie – Menschen, die selbst meine Schmerzgrenze überschreiten. Und wie es aussieht, leben sie alle im gleichen Gebäude wie ich. Don't get me wrong: Ich bin nicht besonders geräuschempfindlich – wer mit einer marokkanisch geprägten Familie in Duisburg aufwächst, sollte das auch nicht sein. Aber die Zusammenstellung meiner Nachbar*innen in Ehrenfeld bringt selbst mich fast um den Verstand. Mir gegenüber: eine Familie mit Kleinkindern im Schreianfall-Alter. Über mir: DJs. Unter mir: zwei Familien mit dem lautesten Organ der Welt.

Klar, das hört sich jetzt erst mal halb so wild an. Auch ich habe weder mit vereinzelten Geburtstagspartys noch mit lauten Kindern ein Problem, solange das Ganze nicht zur Dauerbeschallung ausartet und ein bisschen gegenseitige Rücksichtnahme im Spiel ist. Wenn zwei Familien unter mir es jedoch schaffen, dass ich Tag für Tag zu ihrem Geschrei aufwache und mit Geschrei einschlafe – was angesichts der Lautstärke sowieso nur mit Ohrstöpseln möglich ist –, dann zerrt das irgendwann selbst an meinen erprobten Nerven.

Der Gesprächsversuch endete mit einem Polizeieinsatz.

Was ChatGPT mir empfiehlt: "Kommunikation". "Der erste Schritt sollte immer sein, das Gespräch mit deinen Nachbarn zu suchen." Habe ich natürlich schon versucht. Allerdings endete dieser Gesprächsversuch mit einem Polizeieinsatz, nachdem einer der Nachbar*innen von unten meine Mitbewohnerin und mich als Reaktion bedroht hat. Auf eine Wiederholung habe ich also wenig Lust.

Nächster Schritt? "Kontaktiere deinen Vermieter." Blöd nur, dass der in die Kategorie "Antwortet nie auf (dringliche) Bitten" fällt. Also auch keine Option. Was jetzt? ChatGPT rät mir, das Ordnungsamt zu rufen. Womit ich wieder am Anfang wäre. Denn ja, das ist eine Möglichkeit – aber eben auch der ultimative Alman-Move. Das machen in meiner Vorstellung nur extrem unterbeschäftigte Alman-Anettes und nervige Renter-Couples, die auf Nachbarschaftsstress stehen.

Ohnehin ist das mit dem Ordnungsamt ja immer so eine Sache. Die kommen schließlich nicht einfach und regeln alles. Nein, man muss selbst für die Beamt*innen zur Verfügung stehen, seine Personalien nennen und wegen Lärmbelästigung greifen die sowieso erst nach 22 Uhr ein. Und ich sag euch, wie’s ist: Nachts das Ordnungsamt rufen, auf die Einsatzkräfte warten und meinen Schönheitsschlaf dafür opfern, dass am Ende vermutlich eh nicht viel passiert – nein danke.

Gemeinsamer Hass verbindet – in der Nachbarschaft genauso wie im Leben.

Ich erinnere mich an die Tipps einer Freundin. Ihr Vorschlag: Täglich den Balkon staubsaugen – am besten schon frühmorgens; Geschirr am Treppengeländer abklopfen oder das Treppenhaus mit unangenehmen Duftkerzen und Co. in eine Wolke aus Gestank hüllen. Kurzum: einfach noch nerviger sein als die Nachbar*innen, damit die irgendwann ruhig sind, um selbst ihre Ruhe zu haben.

ChatGPT warnt mich jedoch: "Die Tipps deiner Freundin scheinen kreative Möglichkeiten zu sein, auf die Lärmbelästigung deiner Nachbarn zu reagieren. Sie basieren jedoch auf Passiv-Aggressivität und könnten zu einer weiteren Verschärfung der Situation führen."

Was ich nun mache? Ich bleibe bei meiner aktuellen Strategie: Ohrenstöpsel kaufen und sich alle paar Wochen mit anderen Nachbar*innen im Hausflur gemeinsam über die lauten Familien auskotzen. Gemeinsamer Hass verbindet – in der Nachbarschaft genauso wie im Leben.

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