Köln hakt nach: Was hat es mit dem Kallendresser auf sich?
"Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm!" Sesamstraßen-Fans haben diese Lebensweisheit längst verinnerlicht. Trotzdem traut man sich bei der ein oder anderen Frage nicht, sie zu stellen. Weil sie zu banal erscheint – oder man schlichtweg nicht weiß, wer die Antwort kennen könnte. Hier kommen wir ins Spiel, denn wir haken für euch nach. Schließlich begegnen uns in Köln immer wieder kuriose Dinge, die uns staunend oder fragend zurücklassen. Geht euch genauso? Dann schickt uns eure Fragen – wir beantworten sie oder suchen schlaue Menschen, die das können.
Wieso hängt am Alter Markt eine Figur in eindeutiger Pose?
Leeven Jott, wat maach d'r denn? Beim Anblick des Kallendressers am Alter Markt wird dieser Gedanke schon einigen Passant*innen durch den Kopf gegangen sein. Immerhin streckt die grün-graue Figur am Haus mit der Nummer 24 den Fußgänger*innen einfach so den Allerwertesten entgegen. Eine Frechheit, oder? Nicht ganz, denn wie bei vielen altertümlichen Figuren im Kölner Stadtbild steckt auch hinter dem Kallendresser mehr als nur der blanke Po. Was es genau mit der Figur am Alter Markt auf sich hat, verraten wir euch in der heutigen Ausgabe unserer Serie Köln hakt nach.
Doch was ist überhaupt ein Kallendresser? Das kölsche Wort beschreibt schlicht eine Person, die seine*ihre Notdurft in einer Regenrinne verrichtet. So weit, so unappetitlich. Die Figur wurde von dem bekannten deutschen Bildhauer Ewald Mataré erschaffen und nach dem Zweiten Weltkrieg von dem Kölner Architekten Jupp Engels an seinem Haus am Alter Markt angebracht, wo man den Kallendresser bis heute begutachten kann.
Es bleibt die Frage nach dem "Warum" – und die ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn im Kölner Stadtgemauschel gibt es gleich drei geläufige Erklärungsansätze. So ist von einem Schneider die Rede, der mit Hilfe von Fäkalien seinen lärmenden Musiker-Nachbarn zur Ruhe bringen wollte. Oder von dem Dachdecker, dem das ewige Treppensteigen zu müßig wurde und der deshalb an Ort und Stelle sein Geschäft erledigte.
Die wahrscheinlichste Erklärung ist aber eine andere – und zwar eine, die gut zum Bild der gegenüber der lokalen Politik aufmüpfigen Kölschen passt: Die Figur soll die Antwort auf eine unliebsame Entscheidung der Politiker*innen im Rathaus direkt gegenüber sein. Laut dem Kunsthistoriker Werner Schäfke, der von 1984 bis 2009 das Kölnische Stadtmuseum geleitet hat, ist der Kallendresser eine Reaktion auf die Entscheidung des Abt von Groß St. Martin, der einen in Ungnade gefallenen Bürger auf Anweisung der Ratsherren an die Stadt "auslieferte", obwohl der Kölner bewusst in die Immunität des Klosters geflüchtet war. Das wollten die "normalen" Bürger*innen natürlich nicht unkommentiert lassen – und setzten mit dem Kallendresser ein typisch kölsches Statement gegen die Obrigkeit.