Seine große Liebe bewirft man nicht mit Dreck

© Christin Otto

Kennt ihr das Heimscheißer-Syndrom? Ok, das mag nicht der medizinisch korrekte Fachbegriff sein, rein statistisch gesehen müsste jetzt aber trotzdem fast die Hälfte von euch nickend vorm Rechner oder Handy sitzen und denken: „Boah ja, kenn ich!“ Für alle, deren Darmflora anpassungsfähiger ist als jedes Chamäleon, und die darum keinen Schimmer haben, worum es geht: Es gibt Menschen, angeblich sind es 40 Prozent der Bevölkerung, deren Darm sich weigert, außerhalb der eigenen vier Klo-Wände irgendetwas von sich zu geben. Nummer Zwei, großes Geschäft, ihr wisst schon.

Unappetitliches Thema, klar. Noch unappetitlicher ist aber jener „Virus“, der in Köln um sich zu greifen scheint: Er lässt Menschen nämlich zum Gegenentwurf vom Heimscheißer werden. Denn manche lassen ihren Scheiß einfach überall – nur eben nicht bei sich und erst recht nicht da, wo er hingehört.

Die Rede ist von all dem Müll, der sich – vor allem nach sonnigen Wochenenden – in Parks und Grünflächen türmt. Und nicht nur dort. Wer in Ehrenfeld wohnt und an einem Sonntagmorgen schon mal rund um die Heliosstraße unterwegs war, kennt die Mahnmale einer feuchtfröhlichen Nacht im Veedel. Glasscherben, Verpackungsmüll und Essensreste mischen sich auf dem Asphalt mit Erbrochenem. Beißenden Uringestank gibt’s oft noch obendrauf.

Was zuhause absolutes No Go ist, wird anderswo plötzlich normal

Wenn ihr mich fragt, dann dürften derlei Hinterlassenschaften wohl vor allem von Nicht-Ehrenfelder*innen stammen. Vom Gegenentwurf des Heimscheißers. Von den Außer-Haus-Dreckmacher*innen. Denn wer kotzt und pisst schon vor die eigene Haustür? Klar, ein paar Ausnahmen, denen alles egal ist, gibt es immer. Doch ihren Müll lassen die meisten dann wohl doch am liebsten da, wo er sie am nächsten Morgen nicht mehr stört. Vor den Clubs, auf den Straßen fernab der eigenen Hood, am Aachener Weiher, im Grüngürtel, am Rheinufer, am See. Nur eben nicht vor der eigenen Haustür und erst recht nicht in der eigenen Wohnung. Da müsste man sich den Scheiß ja angucken, drüber steigen, ihn riechen und am Ende wahrscheinlich doch entnervt wegräumen.

Doch was zu Hause absolutes No Go ist, wird für manch eine*n anderswo plötzlich normal. Die Reste des Mitternachtssnacks landen da, wo der Heißhunger aufhört. Die Bierflasche zerschellt dort, wo der Durst gelöscht ist. Und die Hose – die wird einfach da runtergelassen, wo die Blase drückt. Bei sommerlichen Temperaturen wird sich gefreut – über das Wetter, die vielen Menschen im Park, das süße Leben, den Grillduft in der Luft. Kölle, do bes e Jeföhl. Doch die Köln-Liebe – die reicht dann eben nur bis zur letzten Bratwurst. Den eigenen Dreck auch wieder wegzumachen, passt dann doch nicht mehr ins Sommer-Sonne-Spaß-Programm.

Wer von sich behauptet, dass er Köln liebt, der sollte seine Stadt auch so behandeln

Wenn sich am Ende dann alle über den Saustall aufregen, will es natürlich wieder niemand gewesen sein. Fest steht aber: Irgendwoher müssen die 20 Tonnen Müll, die die AWB an einem einzigen Wochenende durchschnittlich in den Kölner Grünanlagen einsammelt, ja kommen. Einige fangen dann an zu diskutieren – über zu kleine und zu wenige Mülleimer. Darüber, dass man seine Abfälle erst durch die halbe Stadt tragen muss, um eine leere Tonne zu finden. Mag sein. Dennoch gilt: Wer kein Problem damit hat, sein Grill-Equipment in den Park zu karren, kann auch nicht behaupten, dass das Ganze in umgekehrter Reihenfolge – also vom Park zurück nach Hause – plötzlich ein Riesenproblem ist. Wer Bier holen kann, kann es auch wegbringen. Oder wie Mama sagen würde: Wer feiern kann, kann auch arbeiten.

Schade eigentlich, dass unser grünes Gewissen nicht annähernd ein so großes Sensibelchen ist wie unser Darm. Dann wären wir ganz automatisch außerstande, unseren Dreck einfach überall abzuladen. Noch trauriger ist nur, dass dafür nicht schon allein der gesunde Menschenverstand sorgt. Denn eigentlich ist es doch ganz einfach: Wer von sich behauptet, dass er*sie Köln liebt, sollte seine Stadt auch so behandeln. Seine große Liebe bewirft man ja schließlich auch nicht mit Dreck.

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