Wie Kölner Bars mit der großen Krise umgehen
Als digitales Stadtmagazin interessieren wir uns dafür, wie es den Läden in Köln gerade geht. Wir fragen uns: Wie gehen sie mit der Krise um, welche Hilfen kommen schon an und wie sieht im Moment ihr Blick in die Zukunft aus? Wir wollen daher einige Kölner*innen aus Gastro, Einzelhandel und Co. auf unserer Seite zu Wort kommen lassen.
In diesem Teil unserer Serie widmen wir uns den Kölner Bars und Kneipen. Philipp und Finchi vom Rosebud, Malte und Dennis von der Kölschbar, Stephan vom Little Link und Tobias von der Barracuda Bar, der Bar Zwei und Forelle blau haben uns einen Einblick in ihr derzeitiges Leben gegeben, sie haben uns verraten, was sich für sie und ihre Läden durch die Krise verändert hat. Danke für eure Offenheit!
Philipp und Finchi vom Rosebud
Seit 28 Jahren gibt es die kleine, unscheinbare Bar zwischen Zülpicher Straße und Rathenauplatz nun schon. Vor gut anderthalb Jahren haben die Freunde Finchi, Philipp und Robert das Rosebud übernommen. Die grün-violett leuchtende Neon-Rose in der Heinsbergstraße 20 und die drei Inhaber bringen normalerweise das zusammen, was in einer richtigen Neighbourhoodbar zusammengehört: Lebenskünstler und Bänker. Aktuell steht die Bar allerdings still – wie es den dreien damit geht, haben sie uns hier verraten:
1. Wie geht es euch gerade?
Uns geht es den Umständen entsprechend gut, da wir durch unsere Freunde, Gäste und Industrie super Support bekommen. Wir machen mit dem gesamten Team einfach das Beste draus, auch wenn es grade sehr nervenzehrend ist und die Kosten fast alle gleichgeblieben sind.
2. Was hat sich für euch und euren Laden durch Corona verändert? Wie habt ihr reagiert?
Der 14. März war ein Abend voller Emotionen – viele Freunde und Gastrokollegen waren an diesem Abend bei uns, um gemeinsam einen schönen letzten Abend bis Mitternacht zu haben. Da wir wie fast alle Kollegen unsere Bar komplett schließen mussten, haben wir einhundert Prozent Umsatzeinbußen.
Nun haben wir sehr, sehr viel Zeit, um die Bar zu renovieren und an unserem Konzept zu arbeiten für die Zeit nach Corona, sodass wir für alle Eventualitäten so gut wie möglich abgesichert sind.
3. Werdet ihr unterstützt (vom Staat, durch Spenden)? Wie kann man euch unterstützen?
Wir haben gemeinsam mit Start Next einen Spendenaufruf gestartet und haben dort verschiedene Events zum Kauf angeboten. Dank unserer Thekenfreunde haben wir unser Ziel erfolgreich erreicht und können so erstmal für einen Monat das Personal, die Miete und diverse Fixkosten bezahlen.
Der Staat hat einen KFW-Kredit bereitgestellt, an den leider nicht jedes Unternehmen so leicht rankommt. Und jeder Betrieb hat unterschiedliche Fixkosten, daher macht es nicht für jeden Sinn einen zu beanspruchen, da die Betreiber ihren Betrieb nach Corona einfach hoch verschuldet wiederaufnehmen.
Außerdem gibt es die NRW Soforthilfe. Diese wurde auch sehr schnell genehmigt, aber genauso schnell wurde auch die Auszahlung wieder gestoppt, da wohl viele Menschen versucht haben, sich das Geld zu erschleichen. Wir wurden – wie viele Selbständige – noch nicht ausgezahlt, sind aber dringend darauf angewiesen.
Wir haben sehr viel Glück mit unserem Vermieter, der komplett hinter uns steht und auch mit uns durch diese Krise gehen möchte. Das ist schon mal ein gutes Gefühl, dass man da nicht ganz allein gelassen wird.
Grade planen wir mit unseren Freunden von Partisan Vodka eine Kollaboration und wollen gemeinsam T-Shirts gestalten und verkaufen. Diese kommen bald auf den Markt und durch den Kauf eines Shirts kann man die Jungs von Partisan und uns unterstützen. Gerade hilft es nur, kreativ zu bleiben und sich nicht unterkriegen zu lassen.
4. Wie sieht im Moment eure Zukunftsprognose aus?
Wir rechnen als Team damit, dass wir ab Juni oder Juli mit verschärften Sicherheitsregeln wieder aufmachen können. Aber ist auch nur ein Bauchgefühl und es kann alles anders kommen, daher wissen wir eigentlich gar nichts.
5. Was gibt euch Hoffnung und was wünscht ihr euch gerade?
Nach der letzten Ansprache von Frau Merkel am 15. April ist die Hoffnung ein wenig verschwunden. Wir wünschen uns kreditfreie Soforthilfen für alle Betroffenen und eine bessere Kommunikation zwischen den Ländern und den betroffenen Selbständigen, sodass jeder einfach besser planen und handeln kann. Natürlich wünschen wir uns sehr, dass alle gesund bleiben und unsere Kultur auch nach der Krise so schön bunt und vielfältig bleibt.
Malte und Dennis von der Kölschbar
Die Kölschbar ist eine Mischung aus Eckkneipe und Bar. Ihre sympathischen Besitzer, Malte Böttges und Dennis Busch, saßen einst selbst als Stammgäste an der Theke. Als ihrer Stammkneipe vor einigen Jahren das Aus drohte, übernahmen sie spontan das Ruder. Seitdem ist die KB, wie sie kurz von Stammgästen genannt wird, nicht mehr aus der Kneipenszene in Köln wegzudenken. Genau deshalb können viele das Reopening schon gar nicht mehr abwarten. Dennis und Malte haben uns berichtet, was sich für sie, seitdem sie schließen mussten, verändert hat.
1. Wie geht es euch gerade?
Eigentlich geht‘s uns ganz okay. Es ist schön zu sehen, wie viele Leute die Kölschbar vermissen. Natürlich ist es nicht ganz so easy, mit der Situation umzugehen, da wir einfach null wissen, wann es für uns weitergeht. Da ist eine gewisse Existenzangst nicht von der Hand zu weisen.
2. Was hat sich für euch und euren Laden durch Corona verändert? Wie habt ihr reagiert?
Naja, für uns hat sich so ziemlich alles verändert. Wir sind von heute auf morgen arbeitslos und die Kölschbar ist geschlossen. Das würden wir doch als recht weitreichende Veränderung zählen.
3. Werdet ihr unterstützt (vom Staat, durch Spenden)? Wie kann man euch unterstützen?
Vom Staat haben wir sehr schnell Kurzarbeit und eine Soforthilfe zugesichert bekommen. Bewilligt ist alles, angekommen allerdings noch nicht. Wir sind aber zuversichtlich, dass da noch was kommt. Von unsere Gästen haben wir unfassbar viel Unterstützung bekommen. Zum einen, was den Zuspruch angeht und zum anderen hat auch unsere Gutschein-Aktion gut funktioniert und hilft uns im Moment ein wenig aus der Patsche.
4. Wie sieht im Moment eure Zukunftsprognose aus?
Es ist im Moment richtig schwer, da eine Prognose abzugeben. Wir verstehen schon, dass eine komplett volle Kölschbar gerade wahrscheinlich nicht zielführend ist. Unter uns Gastronomen gibt‘s verschiedene Stimmen. Die einen sagen Ende Mai gehts weiter, andere fürchten nicht vor 2021. Wir müssen einfach abwarten.
5. Was gibt euch Hoffnung und was wünscht ihr euch gerade?
Uns gibt Hoffnung, dass die Gastronomie eine starke Lobby hat. Es gibt quasi niemanden in Deutschland, der ein gastronomisches Angebot nicht wahrnimmt. Wir sind einfach zu viele und zum Glück zu wichtig für die Menschen, als dass uns der Staat im Stich lassen könnte. Sollte das passieren, gehen bestimmt 80 Prozent aller Läden den Bach runter. Das kann keiner wollen. Wir wünschen uns also, dass all unsere Kollegen geduldig bleiben, durchhalten, und wie wir darauf vertrauen, dass es weiter gehen wird.
Stephan vom Little Link
Das Little Link liegt unmittelbar im Belgischen Viertel an der Maastrichter Straße und wurde von dem renommierten Barexperten Stephan Hinz eröffnet. Der Name der Bar steht für Verbindungen, die durch die kreative Bar normalerweise geschafft werden sollen – und die liegen zwischen klassisch und modern und edel und lässig. Seit März ist das Little Link nun geschlossen – Stephan hat uns dazu ein paar Fragen beantwortet:
1. Wie geht es euch gerade?
Wir lassen den Kopf nicht hängen und versuchen, mit viel Kreativität und so gut es geht, auf die Situation zu reagieren, aber die Lage ist sehr, sehr ernst.
2. Was hat sich für euch und euren Laden durch Corona verändert? Wie habt ihr reagiert?
Wie alle Bars und Restaurants in Deutschland ist auch das Little Link seit März geschlossen. Seitdem bieten wir Cocktails und Sandwiches zum Abholen oder Liefern an. Auf unserer Website können unsere Gäste bestellen und es sich zuhause gut gehen lassen. Zusätzlich bieten wir auch Onlineworkshops an und zeigen, wie sich Cocktails ganz einfach zu Hause mixen lassen. All das kann die finanziellen Verluste nicht im Ansatz auffangen, aber wir versuchen, die Zeit zu nutzen und auch unseren Stammgästen etwas zurückzugeben.
3. Werdet ihr unterstützt (vom Staat, durch Spenden)? Wie kann man euch unterstützen?
Wir haben natürlich alle erforderlichen Anträge eingereicht, aber bisher ist von staatlicher Seite noch keine Unterstützung bei uns angekommen. Wir freuen uns darum über alle, die uns direkt unterstützen. Entweder durch die Bestellung von Gerichten und Getränken oder durch den Kauf von Gutscheinen.
4. Wie sieht im Moment eure Zukunftsprognose aus?
Ein zentrales Problem ist, dass wir in der Gastronomie momentan überhaupt nicht planen können. Es gibt kein Datum und keinen Maßnahmenkatalog, auf die wir uns einstellen könnten. Wir hoffen also sehr, dass die Lage bald soweit unter Kontrolle ist, dass der tägliche gastronomische Betrieb wieder in einem gewissen Rahmen stattfinden kann. Es ist aber schon jetzt abzusehen, dass viele tolle Kolleginnen und Kollegen die Lage nicht überstehen werden. Viele werden dauerhaft schließen müssen oder sich nur schwer wieder erholen.
5. Was gibt euch Hoffnung und was wünscht ihr euch gerade?
Hoffnung gibt uns die Loyalität unserer Gäste und Geschäftspartner. Wir wünschen uns, dass wir das alle gemeinsam überstehen und hoffen, dass die gastronomische Vielfalt erhalten bleibt. Mit etwas Glück können wir und unsere Gäste bald wieder in ihrem zweiten Wohnzimmer genießen und gemeinsam mit Freunden und Kollegen anstoßen. Bis dahin nutzen wir die Zeit, um uns fortzubilden und an neuen Drinks zu arbeiten.
Tobias von der Barracuda Bar, Bar Zwei und der Forelle blau
Tobias Mintert ist der Inhaber von gleich drei Kölner Bars und Kneipen: Der Barracuda Bar und der Forelle blau im Belgischen Viertel und der Bar Zwei in Ehrenfeld. Alle drei Läden sind aus dem Kölner Nachtleben nicht wegzudenken. Während die beiden Bars eigentlich richtig feine Drinks bereithalten, punktet die Forelle blau mit Gemütlichkeit und kölschem Kneipenfeeling. Von heute auf morgen musste Tobias alle drei Läden schließen.
1. Wie geht es dir gerade?
Mir geht es gut. Die Situation fühlt sich für mich, genau wie für viele andere, absolut surreal an.
2. Was hat sich für dich und deine Läden durch Corona verändert? Wie hast du reagiert?
Bis vor wenigen Wochen habe ich drei verschiedene, hervorragend etablierte Gastronomien betrieben, die Barracuda Bar, die Bar Zwei und die Forelle blau. Drei Läden mit völlig unterschiedlichen Konzepten in sehr guten Lagen in Köln. Es war schlichtweg nicht vorstellbar, dass alle drei zeitgleich einbrechen würden. Eigentlich eine sichere Bank, jetzt wurde alles per Verfügung auf unbestimmte Zeit geschlossen. Zunächst fühlte sich das an, als wäre man vom Blitz getroffen. Es dauerte einige Tage, bis ein Lern- und Akzeptanzprozess einsetzte.
3. Werdet ihr unterstützt (vom Staat, durch Spenden)? Wie kann man euch unterstützen?
Es war ein gutes Gefühl, dass unmittelbar ein Hilfspaket aufgelegt wurde. Zu meinem Erstaunen hat das tatsächlich auch schnell und unbürokratisch funktioniert. Von Antrag über Bewilligung bis hin zur Auszahlung hat das in meinem Fall sechs Tage gedauert. Als Bemessungsgrundlage wurde ja die Zahl der Festangestellten herangezogen. In meinem Fall waren das 9,6. Dass ich drei Betriebsstätten habe mit drei Fixkostenapparaten wurde allerdings nicht berücksichtigt. Die Soforthilfe hat aber trotzdem geholfen, auch wenn ein Fixkostenapparat von 12.000 Euro im Monat die Gesamtsumme von 15.000 Euro für drei Monate schon relativiert. Es ist verständlich, dass zunächst nicht sehr differenziert auf die Bedürfnisse der einzelnen Branchen reagiert werden konnte und Detailfragen erstmal etwas unter den Tisch gefallen sind. Mittlerweile sind viele Wochen vergangen und es wächst die Erwartung, dass auch spezifische Fragestellungen beantwortet werden.
Es ist nicht zu verargumentieren, wenn Städte wie Meerbusch, Wuppertal oder Düsseldorf proaktiv Jahresgebühren von Außenflächen erlassen, aber eine Stadt wie Köln nach sechs Wochen keine Anstalten macht, sich zu bewegen. Ein anderes Beispiel betrifft die Mini-Jobber. Das klassische Berufsbild eines Kellners gibt es eigentlich nicht mehr. Zumindest in den Universitätsstädten arbeiten viele, um sich damit etwas anderes zu ermöglichen, in aller Regel Studenten auf 450-Euro-Basis – für die fällt dieser Verdienst vollständig weg. Alternativen sind für diese Leute aktuell schwer zu finden. Versuch mal im Umkreis von Köln einen Job beim Spargelstechen zu bekommen, da gibt es (wie ich höre) mittlerweile Wartelisten. Dazu kommt, dass viele dieser Mini-Jobber noch von Ihren Eltern unterstützt werden. In meinem Team habe ich Fälle, wo die Eltern auf 67 Prozent Kurzarbeit gesetzt sind und diese Unterstützung nicht mehr leisten können. Somit fällt diese Gruppe komplett raus, weil Studenten auch nicht für die Grundsicherung in Frage kommen. Die Liste von Beispielen ließe sich noch weit verlängern. Ich würde mir wünschen und erwarten, dass hier viel genauer hingesehen wird.
4. Wie sieht im Moment deine Zukunftsprognose aus?
Perspektivisch ist es sehr unklar, wann es weitergehen kann. Natürlich kann man kein fixes Datum nennen, aber spezifische Bedingungen für Lockerungen müssen benannt sein. Was ist mit Bars und Diskotheken? Es zeichnet sich ja ab, dass solche Konzepte erst sehr spät wieder funktionieren können und vermutlich mit harten Auflagen, die die Wirtschaftlichkeit solcher Konzepte vollumfänglich in Frage stellen. Kriterien dafür müssen jetzt entwickelt werden. Kaufe ich eine Kaffeemaschine und mache aus meiner Bar ein Café? Restaurants und Cafés werden früher wieder arbeiten dürfen. Werden die Auflagen für volle Bars so strickt sein, dass ich besser jetzt mein Geschäft abwickle, als mich im nächsten Jahr schlimm zu verschulden? Hier müssen Perspektiven gezeichnet werden. Spezifisch, klar und transparent.
5. Was gibt dir Hoffnung und was wünschst du dir gerade?
Wir sind flexibel und lösungsorientiert, aber wir brauchen Mittel, die auf uns zugeschnitten sind. Konzepte können geändert werden, wir sind es gewohnt, uns selbst zu versorgen. Trotzdem dürfen wir jetzt nicht alleine gelassen werden. Der Dienstleistungssektor darf nicht der Hauptleidtragende in dieser elenden Geschichte sein.
Wir versuchen jetzt einen Straßenverkauf und freuen uns auf viele bekannte Gesichter. Wirkliche Hilfe kann allerdings nur von der Stadt, dem Land und dem Bund kommen. Hier ist noch viel Luft nach oben. Mit uns muss gesprochen werden.
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