Wie es sich anfühlt, den vermeintlichen Traumjob an den Nagel zu hängen

© Ian Schneider | Unsplash

Es gab Zeiten, da war das Arbeiten zum reinen Brötchenerwerb gedacht. Das „Male breadwinner – female Housekeeper“-Modell wurde inzwischen abgelöst zugunsten einer Kultur, in der der Beruf zur Berufung wird, man sich durch den Job selbst bestätigt, Erfüllung findet, sich definiert. Etwas Sinnstiftendes wollen wir bitte alle machen, uns mit unserer Arbeit identifizieren. Und im besten Fall durch sie aufblühen. 

In der Soziologie wird diese Entwicklung kritisch betrachtet: Dass die Grenzen zwischen Berufs- und Arbeitsleben immer mehr verwischen, bringt viele Veränderungen mit sich, die nicht durchweg positiv sind. Überstunden werden als selbstverständlich erachtet und der Job habe einen viel zu hohen Stellenwert, unter dem das Privatleben leide. Ich kann mich davon nicht freisprechen: In der Vergangenheit habe ich als Arbeitnehmerin gerne 150 Prozent gegeben und meinen Jobs sehr viel Bedeutung beigemessen. Ich habe immer Selbstbestätigung aus meinen Anstellungen gezogen und mich reingehängt, als würde es um meinen eigenen Laden gehen. Bis zu meiner letzten Anstellung. 

Es war das erste Mal, dass eine Jobzusage mich hat Freudentränen vergießen lassen.

Letzten September habe ich eine Zusage für einen Zwei-Jahres-Vertrag bei RTL bekommen. Ein vermeintlicher Jackpot. In meiner Branche – ich bin hauptsächlich TV-Redakteurin – ist eine Anstellung beim Sender das Nonplusultra. Die Seite zu wechseln, also nicht mehr bei Produktionsfirmen für Sender zu arbeiten, sondern dort zu schaffen, wo final entschieden wird, ist für viele ein Traum. So war es auch für mich. Es war das erste Mal, dass eine Jobzusage mich hat Freudentränen vergießen lassen. Die Stelle war in meinen Augen das Glückslos.

Beim Sender zu arbeiten, fühlte sich an, wie endlich anzukommen. Weihnachts- und Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen, noch dazu einen zwei-Jahres-Vertrag – die Bedingungen waren der Hammer. Vorher war ich von Produktionsfirma zu Produktionsfirma getingelt und immer nur kurz angestellt. Ständig aufs Neue arbeitslos, immer auf der Suche nach dem nächsten Job. Das war anstrengend. Endlich sicheres Fahrwasser, dachte ich. 

Doch ich sollte schon in meiner ersten Arbeitswoche merken, dass der Job ganz anders war, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Ich war als Multimediaredakteurin für das VIP-Ressort abgestellt, um Prominews zu schreiben. Dass das reine Schreiben nur 20 Prozent meiner Arbeit ausmachen würde, hatte ich so nicht erwartet. Vielmehr musste ich lauter Sachen machen, die mich vom Schreiben ablenkten. Kommunikationstools bedienen, Informationen ins CMS einpflegen, recherchieren, was wir alles schon über Promi XY geschrieben haben, um alle bestehenden Texte zu verlinken, Kategorien auswählen, Keywords finden, Publishing Points anlegen, slacken, Bilddatenbanken durchforsten. Und noch dazu bitte suchmaschinenoptimiert schreiben und möglichst kurz, sodass die Kreativität auf der Strecke bleibt. Noch dazu waren wir selten so genannter First Publisher – stattdessen galt es herauszufinden, was andere Onlinemedien schon veröffentlicht haben, um dann quasi abzuschreiben, ohne wirklich abzuschreiben. 

Ich fühlte mich wie ein Tischfeuerwerk, das nicht angezündet ist.

Ich war enttäuscht, dachte, ich könnte viel mehr selbst rausgehen und drehen, Interviews führen, eigene Geschichten aufspüren. Doch das alles war anderen vorbehalten. Ich habe lange gebraucht, um mich in meinem Handeln sicher zu bewegen, es gab unendlich viel zu lernen. Ohne diese Herausforderung hätte ich wahrscheinlich noch kürzer durchgehalten. Ich merkte schnell, dass mir die Arbeit keinen Spaß machte, weder inhaltlich, noch strukturell. Ich fühlte mich wie ein Tischfeuerwerk, das nicht angezündet ist, konnte mein Potential nicht entfalten, mich nicht mit den Inhalten identifizieren und musste mich verbiegen, um so abzuliefern, wie es von mir gefordert wurde. 

Noch dazu hatte ich Schichtdienst, Arbeitsbeginn um 5, 6, 7, 9, 11 oder 15:30. Manchmal eine ganze Woche lang schon um fünf anfangen, manchmal eine Woche erst um 15:30 bis Mitternacht, mal jeden Tag anders. Und plötzlich arbeitete ich nur noch für den Brötchenerwerb. Ich fand keine Erfüllung und grämte mich. Ging nicht gerne zur Arbeit. Das war mir vorher noch nie passiert. Jeder Job hatte mir Spaß gemacht, aus jedem Job konnte ich Erfüllung und Selbstbestätigung ziehen, dieses Mal jedoch nicht. 

Ein Feedbackgespräch stellte meinen persönlichen Rettungsanker dar. Ich wollte nach neuen Aufgaben fragen und ehrlich sagen, dass ich unterfordert war und mein Talent nicht gewinnbringend einsetzten konnte. Doch dazu sollte es nicht kommen. Der Chef haute mir um die Ohren, dass man mit meinem Storytelling noch nicht zufrieden sei. Da konnte ich natürlich schlecht mit Unterforderung um die Ecke kommen. Was für ein Dämpfer. Aber irgendwie auch klar, dass man keine brillante Arbeit abliefert, wenn einem der Job keinen Spaß macht. Nach dem Gespräch wurde es noch schlimmer, meine Motivation sank abgrundtief, ich schleppte mich zur Arbeit, statt fröhlich in die nächste Schicht zu starten. Es war alles so anders, als ich es bisher erlebt hatte und ich gefiel mir selber nicht. Ja, ich wurde zu einer schlechten Arbeitnehmerin und konnte mich so selbst nicht ausstehen. Außerdem war durch den Schichtdienst mein komplettes Sozialleben durcheinander gerappelt. Ich lebte plötzlich nur noch für einen Job, der mir absolut keinen Spaß machte und sehnte mich nach einer neuen Stelle. 

Mir wäre es am liebsten, wenn ihr mir kündigt. Bäm.

Einige Wochen später das nächste Feedbackgespräch. Ich konnte es kaum erwarten, weil ich wusste, es müsse sich was ändern. Also erzählte ich frei von der Leber weg: Wie ich mich über die Zusage gefreut hatte und wie kreuzunglücklich ich tatsächlich war. Die Chefs dankten mir für meine Professionalität, dabei empfand ich mich als schrecklich unprofessionell. Wie es denn jetzt weitergehen soll, wurde ich gefragt. „Mir wäre es am liebsten, wenn ihr mir kündigt“. Bäm. Ich hatte es tatsächlich getan. Einen vermeintlichen Traumjob an den Nagel gehangen. Es wurde ohne Aufregung eingewilligt und ich durfte mir sogar aussuchen, ob ich noch bis zum Ende der Probezeit bleiben oder in zwei Wochen gehen will. Ich wollte so schnell wie möglich raus aus den Klauen. Am 14.2. hatte ich meinen letzten Arbeitstag und ich weiß nicht, wann ich mich das letzte Mal so glücklich und befreit gefühlt habe.

Ich möchte für einen Job brennen, für alles andere ist das Leben viel zu kurz. Wenn man nicht engagiert bei der Sache ist, ziehen sich acht Stunden wie Kaugummi. Wenn man sein Potential nicht entfalten kann, ist man auf Dauer frustriert. Auch wenn viele Soziologen es als kritisch betrachten, wieviel Engagement heutzutage in Berufe gepumpt wird: Ich möchte engagiert sein und brauche einen Job, der mich erfüllt. Ich bin stolz, diese Entscheidung für mich getroffen zu haben, denn sie ist gut für meinen Seelenfrieden. 

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