Veedeltour – Urlaubsfeeling in Zollstock

© Carolin Franz

So wie seit Jahren immer mal wieder ausgerufen wird, dass Mülheim, Kalk oder ein irgendein anderes Veedel gerade „im Kommen ist“, hat man als Zollstocker doch immer ein wenig das Gefühl, das eigene Viertel sei im Kommen – aber eben ganz gemütlich, im Schneckentempo.

Das beschreibt auch ganz gut, wie ich Zollstock in den knapp acht Jahren, die ich hier schon lebe, kennengelernt habe: gemütlich. Eine bunte Mischung aus Studenten und Familien, jungen und alten Menschen trifft sich hier beim Einkaufen auf dem Höninger Weg oder beim Flanieren im Vorgebirgspark.

Früher befanden sich hier, wo nun über 20.000 Menschen wohnen, vor allem Felder für die Landwirtschaft. Und natürlich ein kleines Zollhaus, was dem Stadtteil seinen Namen gab. 1888 wurde Zollstock in die Stadt Köln eingemeindet und vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark bebaut. Wer heute im Veedel unterwegs ist, findet eine bunte Mischung aus Hochhäusern, Alt- und Neubauten, schönen Ecken und hässlichen grauen Kästen – so, wie wir es auch vom Rest Kölns gewohnt sind. 

Im Osten Zollstocks erstreckt sich eine der größeren Grünflächen Kölns – der Vorgebirgspark. Die großen Freilaufwiesen locken die Zweibeiner mit ihren Vierbeinern nach draußen, es wird Basketball und Tischtennis gespielt, gejoggt oder in der Sonne gelegen. Im Sommer wird gegrillt, Familien treffen sich am Spielplatz und alles geht etwas entspannter zu.

Dabei kommt man sich zum Glück nie so richtig in die Quere, denn wenn es dem Vorgebirgspark an einem nicht mangelt, dann ist das Platz. Vom angrenzenden Gewerbegebiet und der lauten Vorgebirgstraße ist hier nicht mehr viel zu hören – eine grüne Oase, mitten in Köln.

© Carolin Franz

Was man in Zollstock garantiert nicht findet? Superfood-Bowls und Hipster-Bars. Stattdessen gibt’s eine gehörige Prise Bodenständigkeit und uriges Flair. Gegessen wird im Höninger oder im Zollhof, im Burger Hof oder Indisch bei Haweli, den Kaffee gibt’s im gemütlichen Café de Kok oder bei Café Varme. Und auch an Traditionskneipen zum Fußballgucken oder um über das Leben zu philosophieren, mangelt es nicht. Im Veedel gibt's schlichtweg alles, was man braucht – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Ganz im Süden – da, wo die Endhaltestelle der Linie 12 liegt und sich Eisliebhaber im Sommer vor der Eisdiele van der Put tummeln, befindet sich auch der Eingang zum Südfriedhof. Unter hohen Bäumen und in völliger Ruhe lässt es sich hier entspannt spazieren und dabei auch ein bisschen Geschichte entdecken: In der Mitte des Friedhofs liegt nämlich seit 1922 der Commonwealth Ehrenfriedhof, auf dem viele Gefallene aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg begraben sind – eindrucksvoll, aber auch beklemmend, wie die Gräber in ihrer Masse an die Soldaten der beiden Kriege erinnern.

© Carolin Franz

Mit dem Südfriedhof glaubt man, den südlichsten Punkt von Zollywood erreicht zu haben. Aber Achtung: Auch hinter dem Militärring ist die Aussicht nicht zu verachten. Direkt hinter dem Friedhof verbirgt sich mit dem Kalscheurer Weiher eine echte Wohlfühloase. Viel freie Fläche zum Rumliegen und Radfahren, ein kleiner Tretbootverleih und entspannte Zollstocker findet man rund um den Weiher, auf dem kleine Entenfamilien umher schwimmen.

Hier erklärt sich dann auch, wo die fünf Quadratkilometer Fläche von Zollstock herkommen – Zollstock ist mit dem Kalscheurer Weiher, dem Friedhof und dem Vorgebirgspark nämlich zu großen Teilen voller Natur.

Am Wasser lässt sich der Großstadttrubel nur einige Meter entfernt vom Militärring vergessen und auch ein kleines Stück weiter westlich fühlt man sich wie mitten auf dem Land. Zwischen urigen Häusern, Pavillons, Wohnwagen und naturbelassenen Gärten, Pferden und Hühnern erstreckt sich die Indianersiedlung Zollstocks – der Journalist Hans Conrad Zander, der die Ähnlichkeit zu Indianerreservoiren in den USA so unverkennbar fand, gab der Indianersiedlung ihren Namen. Die Bewohner haben sich ihre eigene kleine Siedlung mitten in der Stadt geschaffen. Mit eigener Organisation und einem starken Zusammenhalt ist die Indianersiedlung nicht nur optisch eine eigene, kleine Welt.

Nach einem ausgiebigen Spaziergang unter Bäumen und am Wasser, wenn man Schwäne, Enten, Hühner, Pferde und die volle Pracht der Natur hinter sich gelassen hat, steht man plötzlich wieder mitten in der Stadt – und kann sich über den Höninger Weg, die wahrscheinlich wichtigste Straße Zollstocks, wieder in den Norden bewegen.

Rund um den Gottesweg und die Herthastraße spielt sich ein Großteil des täglichen Lebens ab. Hier wird eingekauft, gegessen, gebummelt und gemeinsam der schwierigen Zeit getrotzt. Bei Bücher Weyer gibt's noch ein bisschen Hoffnung zum Mitnehmen: #daslesengehtweiter.

Worauf die Zollstocker schon sehnlich warten: Ein neuer Unverpacktladen soll am Höninger Weg eröffnen – bisher ist er leider noch gut verpackt. Aber wir wissen ja, Zollstock kommt in seinem eigenen Tempo. Ein Abstecher in den Waschsalon an der Herthastraße lohnt sich übrigens auch – denn hier wird nicht nur gewaschen, sondern auch zu "night wash" eingeladen. Eine fünfzig Meter lange Schlange vor einem Waschsalon? Das ist montags, wenn die Comedy hier Einzug hält, kein seltener Anblick.

Diese Reise quer durch Zollstock endet wieder im Norden, an einem ganz besonderen Ort für alle Zollstocker: dem Südstadion. Hier, wo die Fortuna ihre Spiele austrägt, sammeln sich – normalerweise –  jedes Wochenende die Fußballfans zum entspannten Kölsch und Regionalliga-Kick. Zollstocker sind Fortuna-Fans, das steht fest.

Auf dem benachbarten Parkplatz lässt es sich außerdem sonntags ganz hervorragend Trödeln, denn der Flohmarkt am Südstadion hält immer eine gute Mischung an schönen Möbeln, echten Sammlerstücken und ungewöhnlichem, alten Krimskrams bereit. 

Ein Highlight wollen wir euch zum Schluss nicht vorenthalten: Wer mal verzweifelt ist, einen guten Rat braucht oder ganz einfach das Kölsche Grundgesetz vergessen hat, dem wird diese Häuserwand wieder eine Richtung im Leben geben. Danke, Zolli.

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