Eine Gustav-Nachtigal-Straße mitten in Nippes – geht's noch?

© Ali Aggün

In einer Welt, die zunehmend von Vielfalt und kultureller Mischung geprägt ist, sollten Diskriminierung und Vorurteile längst der Vergangenheit angehören. Doch die Realität zeigt oft ein anderes Bild. Erdal schreibt in seiner Kolumne "Mein Senf" über Alltagsrassismus, Diskriminierungserfahrungen, Antirassismus und aktuelle Geschehnisse im Leben eines PoCs (Person of Color). In "Mein Senf" beleuchtet er die anhaltende Herausforderung des Alltagsrassismus und wie wir als Gesellschaft aktiv zu einer inklusiveren Zukunft beitragen können. Ihr wollt eure Erfahrungen mit Erdal teilen? Dann schreibt ihm einfach!

Nichtsahnend schlendere ich durch mein Veedel und bleibe verblüfft vor dem Straßenschild an der Ecke stehen. Ich traue meinen Augen kaum. "Noch schlimmer könnte dieses Straßenschild nicht platziert sein", denke ich. Mitten im Afrika-Viertel in Nippes eine Gustav-Nachtigal-Straße?

Hey Köln, ganz offensichtlich hast du in der deutschen Kolonialgeschichte etwas übersehen. Gustav Nachtigal spielte dabei nämlich eine krasse Rolle. Wie eigentlich fast alle Kolonialisten. Als imperialistischer Eroberer und Kolonialbeamter ist er eine umstrittene Figur, deren Handlungen und Erbe kritisch betrachtet werden müssen. Na dann, let's go!

Die deutschen Kolonialisten waren besonders erbarmungslos. 

Nachtigal war zur Zeit des Kolonialismus ein Vertreter des deutschen Kaiserreichs, das nach territorialer Ausdehnung und wirtschaftlicher Dominanz in Afrika gierte. Also begab sich der gute Gustav im Auftrag des Kaiserreichs auf den Weg nach Kamerun.

Eines seiner heftigsten Vergehen war die Unterzeichnung des sogenannten "Kamerunvertrags" von 1884. Schwuppdiwupp gehörte ein großer Teil des heutigen Kameruns den Deutschen. Natürlich geschah dies ohne Rücksicht auf die Rechte und Interessen der einheimischen Bevölkerung. Wer hätte das gedacht? Es kam zwangsläufig zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und Aufstände wurden brutal niedergeschlagen. Dabei waren die deutschen Kolonialisten besonders erbarmungslos.

Können wir bitte aufhören, diesen bescheuerten Unterdrücker zu verherrlichen?

Gustavs Rolle in der brutalen Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung Kameruns darf nicht weiter ignoriert werden, mein liebes Köln! Nur zur Info: Seine Taten trugen zur Versklavung, Ausbeutung und zum Leiden vieler Menschen bei. Außerdem lässt sich nicht abstreiten, dass er extrem rassistische Denkmuster hatte. Der liebe Gustav betrachtete die afrikanische Bevölkerung nämlich als minderwertig und glaubte, dass Europäer eine "zivilisatorische Mission" hätten, die es rechtfertigt, Afrikaner*innen zu beherrschen.

Also liebes Köln, können wir bitte aufhören, diesen bescheuerten Unterdrücker zu verherrlichen, und stattdessen diejenigen in den Fokus rücken, die unter der deutschen kolonialen Unterdrückung und Ausbeutung gelitten haben?

Bitte. Danke.

Euer Erdal

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