Köln-Kolumne: Eure fahrbare Penisverlängerung raubt mir den letzten Nerv
Wir lieben Köln. Genau darum gehen wir permanent auf Entdeckungstour und teilen jede Woche unsere besten Tipps mit euch. Dabei stoßen wir nicht nur auf spannende Orte, sondern auch auf Gefühle, Stimmungen und Meinungen, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends regelmäßig festhalten. Diese Kolumne ist der Platz, an dem unsere Kölner Redaktionsleiterin Christin ihre Gedanken zu Köln und dem, was ihr in der Stadt begegnet ist, teilt. Heute: Eure fahrbare Penisverlängerung raubt mir den letzten Nerv!
Dass mit steigenden Temperaturen auch die Hormone ein wenig verrücktspielen, macht uns nicht nur das Tierreich jedes Jahr aufs Neue eindrucksvoll vor – auch die Kölner Ringe und andere Hauptverkehrsadern wie die Venloer Straße werden bei schönem Wetter zum Schauplatz des seltsamen Paarungsverhaltens geschlechtsreifer Großstädter*innen.
Kaum sind die Terrassen wieder voll besetzt, wittert in Köln nämlich eine ganz besondere Spezies gut besuchte Publikumsränge und somit geballte Aufmerksamkeit für den eigenen "Paarungstanz": der gemeine Autoposer.
Es wirkt, als werde gemeinsam mit der Karre standardmäßig auch der Verstand des Fahrers tiefer gelegt.
PS-geladenes Blech aufgemotzt mit allem, was Leasingvertrag und Dispo hergegeben haben, wird – meist von Halbstarken – mit heulenden Motoren zur Schau gefahren. Es ist ein Krach, der selbst das Trommelfell lärmerprobter Großstädter*innen an die Belastungsgrenze bringt.
Und das nicht nur einmal. Denn jede*r weiß: Der gemeine Autoposer setzt auf Wiederholung – und dreht in seinem ohrenbetäubenden Winseln um Bewunderung keine Runde nur einmal. Es wirkt, als werde gemeinsam mit der Karre standardmäßig auch der Verstand des Fahrers tiefer gelegt.
Die Kölner Polizei nennt das peinliche Imponiergehabe übrigens 'Blechtindern'.
Die Kölner Polizei nennt das peinliche Imponiergehabe übrigens "Blechtindern". Irgendwie traurig. Schließlich sollte man meinen, dass selbst die bescheuertsten Tinder-Bios mehr Eindruck schinden als fahrbare Penisverlängerungen, die so nah am Boden röhren, dass sie es in der Regel nicht mal in eine Tiefgarage schaffen.
Dennoch hält sich das Gerücht offenbar hartnäckig, dass es da draußen Frauen gibt, die darauf abfahren. Anders ist es wohl kaum zu erklären, dass Autoposer auch in diesem Jahr wieder wie angepiekste Gockel ihre Runden auf Kölns Straßen drehen und mir – und wahrscheinlich unzähligen anderen Kölner*innen auch – den letzten Nerv rauben.
Dabei sind der Lärm allein und die Fremdscham, die einen beim Anblick des gemeinen Autoposers überkommt, wohl noch das geringste Problem. Viel schlimmer ist, dass auch manch Radler*in vor lauter Schreck fast vom Sattel rutscht. Was wohl auch daran liegen dürfte, dass dem gemeinen Autoposer selbst in Sachen Abstand oft das gesunde Maß fehlt.
Allein 2015 kostete der motorisierte Hahnenkampf in Köln drei Menschen das Leben.
Wenn das abgasvernebelte Hirn dann auch noch dazu neigt, illegale Autorennen für eine gute Idee zu halten, wird im besten Fall "nur" der getunte Schlitten gegen den Baum gesetzt – im schlimmsten Fall sterben Menschen.
In Köln wäre es nicht das erste Mal. Allein 2015 kostete der motorisierte Hahnenkampf in unserer Stadt drei Menschen das Leben. Zwar hat die Kölner Polizei inzwischen sogar einen eigenen "Einsatztrupp Rennen" gegründet, doch abzuschrecken scheint das kaum. Im Gegenteil: 2022 ist die Zahl der illegalen Rennen bis Ende März im Vergleich zum Vorjahr von 33 auf über 50 gestiegen.
Da gut gemeinte Ratschläge folglich auch an dieser Stelle wenig bringen dürften, bleibt wohl nur zu hoffen, dass es "Freund und Helfer" gelingt, möglichst viele Poser-Lappen einzukassieren. Das ist am Ende nicht nur gut fürs Gehör, die Umwelt und die Sicherheit auf Kölns Straßen, sondern auch für die Autoposer selbst. Schließlich ist Laufen gesund – und die Brautschau gestaltet sich ohnehin viel effektiver, wenn man tatsächlich auch mal ins Gespräch kommen kann. Nun ja, vorausgesetzt, aus dem Mund kommt auch was Vernünftiges raus.