Köln hakt nach: Wer verteilt auf dem Severinskirchplatz Schokolade?
"Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm!" Sesamstraßen-Fans haben diese Lebensweisheit längst verinnerlicht. Trotzdem traut man sich bei der ein oder anderen Frage nicht, sie zu stellen. Weil sie zu banal erscheint – oder man schlichtweg nicht weiß, wer die Antwort kennen könnte. Hier kommen wir ins Spiel, denn wir haken für euch nach. Schließlich begegnen uns in Köln immer wieder kuriose Dinge, die uns staunend oder fragend zurücklassen. Geht euch genauso? Dann schickt uns eure Fragen – wir beantworten sie oder suchen schlaue Menschen, die das können.
Wer ist das Schokoladen-Mädchen?
Verschmitzt lächelt sie die Passant*innen auf der Severinstraße an. Manch ein*e Jeck*in lehnte nach zu viel Kölsch schon erschöpft an ihrem Knie, und wieder andere nutzen den Sockel, auf dem sie ihren Fuß stützt, für eine kurze Pause. Die Rede ist vom Stollwerck-Mädchen alias "Schokoladen-Mädchen" auf dem Severinskirchplatz.
Der Kölner Bildhauers Sepp Hürten gewann mit seiner Bronze-Plastik im Jahr 1990 einen Wettbewerb zur Verschönerung des Platzes vor der Severinskirche. Sie stellt eine Arbeiterin der Stollwerck Schokoladenfabrik dar, in der unweit der Figur bis in die 70er-Jahre hinein Schokolade produziert wurde.
Ab Ende des 19. Jahrhunderts produzierte die Familie Stollwerck im heutigen Bürgerhaus Stollwerck im Severiensviertel Schokolade im großen Stil. Die dort angestellten Arbeiterinnen – in der Regel waren sie zwischen 14 und 16 Jahre alt – genossen einen zweifelhaften Ruf, da sie sich entgegen der damals üblichen Konventionen nicht auf das Hausfrau- und Mutter-Sein vorbereiteten, sondern arbeiteten. Und abends, wohlgemerkt nach einem Zwölf-Stunden-Arbeitstag, gingen sie auch noch aus und tanzten – für damalige Verhältnisse eine Frechheit.
Auf Kritik aus der Gesellschaft hin führte das Unternehmen Stollwerck schließlich Haushaltsunterricht für die Mädchen ein. Doch ihren Ruf, vor allem ihre emanzipierte Haltung, blieb ihnen bis weit über die Schließung der Schokoladenfabrik erhalten und spiegelt sich heute in dem Stollwerck-Mädchen auf dem Severinskirchplatz wieder.
Selbstbewusst und entspannt steht das Mädchen da, hat ein freches Lächeln im Gesicht und bietet Vorbeikommenden ihre Pralinen an. Die, wie die Verfärbung der Kugel zeigt, würden reißenden Absatz finden, doch die Schokoladenproduktion des Unternehmens Stollwerck wurde längst ins Ausland verlegt und mit anderen Firmen vereint. Übrig bleibt das Schokoladen-Mädchen, das Kölner*innen Freude macht und an die süßen Zeiten im Vringsveedel erinnert.