Mein Lieblingsort in Köln: die Heliosstraße

© Christin Otto

Wir empfehlen jeden Tag jede Menge toller Locations, ausgesucht von uns und unseren Autoren. Und trotzdem hat jeder von uns dieses eine immer gleiche Café, in dem er schon seit Jahren draußen seinen Cappuccino trinkt, diese eine Stelle am Rhein, an die er immer wieder fährt und von der er einfach nicht genug bekommt oder diese eine Ecke der Stadt, die sein Herz immer wieder höher schlagen lässt. Hier kommen unsere ganz persönlichen Lieblingsorte in Köln.

Ehrenfeld ist mein kölsches Herz-Veedel. Nicht nur, weil ich hier wohne, sondern vor allem, weil sich hier dieses wohlig warme Gefühl von Zuhause einstellt. Hier will ich sein – wohlwissend, dass es schönere Veedel gibt, mit imposanteren Altbauten, schöneren Flaniermeilen, chiceren Geschäften. Aber mit Ehrenfeld ist es ein bisschen wie mit ganz Köln auch: Vielleicht nicht das schönste Fleckchen Erde, aber eins zum Wohlfühlen. Jeföhl, ihr wisst.

Es wird der Sache nicht gerecht, einen Lieblingsort zu benennen. Denn am Ende macht ja immer die Mischung den Kuchen. Das gilt auch und ganz besonders für Ehrenfeld. Und doch gibt es hier einen Ort, der das Veedel wie ein kleiner Mikrokosmos spiegelt: die Heliosstraße, samt ihrer Umgebung und Geschichte. Es ist ein Ort voller Leben und Sterben, voller Euphorie und Melancholie zugleich. Müsste ich ihr ein Lied widmen, es wäre wohl die Bittersweet Symphony.

© Christin Otto

Ganz unbescheiden macht die Heliosstraße auf sich aufmerksam – mit einem riesigen Leuchtturm mitten auf dem Festland. Er ist der Stolz des Veedels, dieser Heliosturm. Bis heute. Und das, obwohl er noch nie einem Seemann in Not den Weg gewiesen hat, sondern immer nur Spiel- und Werbefläche der Helios-Lichtwerke war. Wie oft habe ich schon hoch zur kleinen Glaskuppel geblickt und gedacht: Wie er wohl sein mag, der Blick von da oben?

Der Boden der Tatsachen hingegen riecht nicht selten nach beißendem Urin. Vor allem im Sommer, nach lauen Partynächten. Dann schwebt hier dieser brennende Gestank in der Luft. Weil manch Nachtschwärmer mehr trinkt als die Blase halten kann. Ein Muff, an den wir noch wehmütig zurückdenken werden. Wahrscheinlich werden wir ihn sogar vermissen. Spätestens dann, wenn auch der letzte Club rund um die Heliosstraße durch schmucke Neubauwohnungen ersetzt wurde.

© Nicola Dreksler
© Christin Otto

Während über der Heliosstraße die Baukräne kreisen, löst sich das altbekannte Antlitz der Straße nach und nach auf – genauso wie all die Paste-ups und anderen kleinen Kunstwerke, die hier an sämtlichen Hauswänden kleben und von Street-Artists unermüdlich durch neue Arbeiten ersetzt werden.

Nicht nur die Künstler*innen drinnen, in ihren Ateliers, sondern vor allem die draußen, die Street-Artists, machen die Heliosstraße zu einem ganz besonderen Ort für mich. Eine Art Outdoor-Galerie, 24 Stunden geöffnet, mit ständig wechselnder Ausstellung. Man könnte die Heliosstraße am Tag drei Mal auf und ab laufen und würde wahrscheinlich immer wieder Neues entdecken. Weil sie sich überall versteckt, die Kunst. In kleinen Mauernischen, hinter rankenden Pflanzen, unter Dachrinnen.

© Christin Otto
© Christin Otto

Hier draußen trotzen sie jedem Wetter, diese kleinen Kunstwerke – bis sie sich nach wochenlanger Verwitterung dann irgendwann doch vom Gemäuer schälen. Es hat etwas Tragisches und etwas Magisches zugleich. Weil klar ist, dass, wenn etwas Altes geht, auch bald etwas Neues kommt.

So ergeht es der Heliosstraße ganz allgemein: Altes geht, Neues kommt. Die Street Art ist da nur ein passendes Sinnbild. Nur dass der Wandel eben nicht in jeder Hinsicht ein positiver ist. Viele geliebte Orte rund um die Heliosstraße mussten schon weichen: Papierfarbrik, Sensor Club, Jungle Club, Underground – und auch das Heinz Gaul löst sich in eine schöne Erinnerung auf.

© Christin Otto
© Christin Otto

Derweil hält die Heliosstraße mit ihrer bunten und doch rauen Schönheit die Erinnerung wach – daran, wie aufregend dieses Veedel sein kann, wenn man es nicht an allen Ecken und Enden glattbügelt, wenn man es sein lässt, wenn man Kunst und Kultur Raum schenkt.

Fragt sich nur, wie lange noch – wie lange kann die Heliosstraße sich noch aufbäumen gegen die kreisenden Bagger, die widrigen Verwitterungsumstände. Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Gentrifizierung auch hier wie eine wummernde Planierraupe über alles hinweggefegt ist. Doch bis es soweit ist, bleibt der Mikrokosmos Heliosstraße: einer meiner Lieblingsorte.

© Christin Otto
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