Sweetsnini: Kölns Kachel-Künstlerin spricht zum ersten Mal über ihre Arbeit
Nina ist schon öfter mit 'ner Tube Montagekleber und ein paar Kacheln in den Club gegangen. Und was es mit diesen sonderbaren Partyutensilien auf sich hat, interessiert Türsteher nicht mal. Aber vielleicht haben sie gelächelt, als sie später eine der bemalten Sweetsninis auf dem Klo entdeckt haben. So wie bei Klebekünstlerin Barbara Deutschland mit Zettelbotschaften wie „Hass ist krass. Liebe ist krasser“ verschönert, so macht Nina uns die Welt mit herzallerliebsten Kacheln ein bisschen mehr so, wie sie uns gefällt.
Ihre oberknuffigen Strichmännekes zaubern ihren Betrachtern schon für sich ein Lächeln auf die Lippen. Und dann gibt’s da auch viele Kacheln mit Sprüchen und Wortspielen, die aus dem Lächeln ein Lachen werden lassen. Andere Kunstwerke wiederum erwärmen das Herz mit Botschaften wie „Das hier, das ist ne Stadt, da kommst du als Fremder und gehst als Freund“. Diese Kachel klebt selbstredend in Köln, aber Nina bombt auch viel in ihrer ehemaligen Heimat Hamburg und Berlin ist ebenfalls versüßt.
Am liebsten aber ist sie in der Stadt mit Hätz aktiv, „weil wir uns hier alle lieb haben“. Wo andernorts Konkurrenzdenken und systematische Streetart-Zerstörung herrscht, gibt’s hier eine Kuschelszene. Unser Köln halt. Hier wurden allerdings auch schon ein paar Kacheln – wahrscheinlich von Hardcore-Fans – abmontiert, wobei Nina weiß: „Dafür braucht man hohe kriminelle Energie und ein Brecheisen“. Zwei Löcher und rausgebröckelter Putz können also immer darauf hindeuten, dass hier einst eine der begehrten Kacheln hing.
Es gibt genug Plätze, wo es egal ist, ob da eine meiner Kacheln klebt.
Wie viele genau davon haften, weiß Nina nicht: „zwischen 70 und 90“. In die Südstadt hat es bis jetzt nur eine einzige geschafft, da ist Nina nicht so oft. Aber in Ehrenfeld. Wobei die Künstlerin „Gebäuderespekt“ walten lässt: Einen denkmalgeschützten Bau würde sie niemals pflastern und wenn zum Beispiel ein Hauseingang für sich schon wunderschön ist, würde sie diese Schönheit auch nicht zerstören. „Denn es gibt genug Plätze, wo es egal ist, ob da eine meiner Kacheln klebt.“ Aber: „Es gibt auch Stellen, die zu hässlich sind.“
Und wie schaffen ihre Kunstwerke es an Stellen, die schön genug, aber nicht zu schön sind? Wie geht so eine Streetartkünstlerin vor, wo ihr Tun ja illegal ist? Wenn sie beim Kleben in flagranti erwischt würde, könnte man ihr an den Kragen, auch wenn Nina sich selbst „nicht so kriminell“ findet. Bringt sie ihre Botschaften also in Nacht-und-Nebel-Aktionen an? Manchmal, aber auch früh morgens hat sie leichtes Spiel, da ist zum Beispiel im Belgischen Viertel reine Luft. Vor dem Montagekleber-Akt guckt sie sich kurz um, aber gar nicht mal unbedingt nach der Polizei, sondern ob potentielle Diebe lauern. Solange der Kleber nicht getrocknet ist, hätten die nämlich leichtes Spiel.
Meistens schafft ihre Kunst es peu a peu mal hier, mal dahin. Aber manchmal, wenn sie einen Schwung Kacheln vorproduziert hat, fährt die 42-Jährige auch mit dem Rad los „und dann ist der Weg das Ziel“, dann wird großzügig gepflastert. Und dann gibt’s da auch noch ihre heiß begehrten Schlüsselanhänger, mit denen hat im April 2016 alles angefangen. Erst hat sie die nur in Toiletten von Cafés ausgelegt, bis sie auch kleine Haken angeschafft hat und die süßen Goodies nun überall hinhängt, wo es ihr gefällt.
Wer einen findet, darf ihn mitnehmen. Man kann sich vorstellen, wie schnell die Anhänger weg sind. Ihre Lieblingsfigur auf ihrer Minikunst ist das Piratenmädchen mit der Fuck-Flagge, „das verkörpert Trotz“. Aha, gibt’s da gewisse Parallelen? Ja: „Ich bin keine Emanze, aber störrisch und eine Antiprinzessin“. Und große Streetartliebhaberin. Schon lange bevor sie selbst aktiv wurde, war sie begeisterte Spotterin. Ihre Strichmännchen-/frauchen-Figur gibt’s schon eine ganze Weile, Nina hat sie beispielsweise auf Briefen und Notizen hinterlassen. Ihr Exfreund war es, der einst sagte: „Man müsste deine Kunst mal nach draußen bringen.“ Und irgendwann kam der Tag, an dem Nina bei Obi einen Fünfer-Pack einfache Plastikschlüsselanhänger sah und ihr ein Licht aufging. Es war die Geburtsstunde der Streetartkünstlerin in ihr.
Wenn mir ein Gedanke kommt, muss ich den auch sofort umsetzen.
Im Herbst 2016 wollte Nina unbedingt bei „Straßengold“, einem Kölner Forum für Streetart, dabei sein. Dafür ist die Voraussetzung allerdings, dass die Kunst draußen in den Straßen stattfindet. Funktioniert mit den begehrten Schlüsselanhängern nicht, die sind ja ruckzuck weg und auch wenn man Kunst oft nicht versteht: Mit einsamen Haken hätte Nina nicht ins Rennen gehen können.
Auf die Kacheln kam Nina ähnlich zufällig, wie zu den Schlüsselanhängern. Die lagen in ihrem Keller rum und waren das ideale Fundstück, denn für Nina muss der künstlerische Akt praktisch gestaltet und schnell über die Bühne zu bringen sein, damit sie sich genau dann austoben kann, wenn sie Bock drauf hat. So entstehen ihre Werke auch: „Alles, was ich zeichne und schreibe, entsteht, wenn die Idee da ist. Wenn mir ein Gedanke kommt, muss ich den auch sofort umsetzen.“
Dabei transportieren die Figuren, was Nina denkt und sie freut sich darüber, dass diese Ideen und Gedanken in ihr sind, sie die richtigen Worte findet. Aber stolz sei sie darauf nicht. „Stolz kann ich darauf sein, dass ich meinen Sohn gut hingekriegt habe.“ Der ist zehn und die beiden können sogar zusammen rumspinnen: Er ist Ideengeber für neue Charaktere, wie einen Zauberer, und versteht es, den Sinn von Sätzen so zu verdrehen, dass Nina sie auf ihren Kacheln verewigt.
Die gelernte Buchhändlerin, die mittlerweile als Teamleiterin im Dialogmarketing arbeitet, macht es „irre“, dass sie oft gar nicht gut zeichnen kann, was sie im Kopf hat. Sie wollte zum Beispiel mal eine ihrer Figuren schräg schaukeln lassen, „aber perspektivisch zeichnen kriegt mein Gehirn einfach nicht hin“. Auch an den Möpsen, die neben „It's Frida I'm in love“ ihre Lieblingskachel ausmachen, hat sie sich ordentlich einen abgebrochen.
In der Regel vertut man sich um 100 Prozent, wenn man versucht, sich die Person hinter einem Kunstwerk vorzustellen.
Wer weiß, wer hinter den Sweetsninins steckt, ist oft überrascht: „Viele denken, ich bin 20“, lacht sie. Aber sie kennt das von sich selbst: "In der Regel vertut man sich um 100 Prozent, wenn man versucht, sich die Person hinter einem Kunstwerk vorzustellen." Wenn sie jemanden richtig gut findet, brennt sie auch darauf, den Künstler kennenzulernen und ist dabei meist so überrascht, wie ihr Gegenüber über sie. Aber: „Über Kunst entsteht Sympathie“ und meistens versteht sie sich mit Artists, deren Arbeit ihr gefällt, super.
Wer im Netz nach Sweetsnini sucht, wird – bis heute – kein Foto und keine Infos über sie finden. „Ich finde das nicht wichtig, denn meine Person steht nicht im Vordergrund. Die Leute sollen sich meine Kunst lieber unvoreingenommen angucken.“ Wer Nina trotzdem kennenlernen möchte, der hat ab und an auf Street-Art-Ausstellungen und -Märkten die Gelegenheit dazu.
Dort verkauft sie ihre Kacheln auch hin und wieder – und Nina fertigt sie übrigens auch auf Anfrage an, einfach bei Instagram anschreiben! Einen Dawandashop wird sie aber niemals ins Leben rufen. Höchstens vielleicht mal Kinderklamotten oder so auf Kommission anbieten. Aber das ist Zukunftsmusik. Bis dahin freut Nina sich, wenn jemand sich die Zeit nimmt, ihre Kacheln zu lesen und die ihren Betrachtern ein Lächeln auf's Gesicht zaubern. Sie fasst sich an die Brust, als sie sagt: „Das finde ich einfach nur schön!“