Facebook du sicherer Hafen – Instagram du Toyboy

© Alex Haney | Unsplash

Ich kenne das von vielen Freunden: Die Beziehung ist schon lange nicht mehr das Wahre, aber für eine Trennung ist es doch noch nicht schlimm genug. Man hängt aneinander und hat sich einst so viel gegeben, dass man nicht komplett Schluss machen kann. Die gemeinsame Qualitytime wird weniger, qualitativ wie quantitativ. Man gibt sich gegenseitig nicht mehr so viel, wie einst. Man vergisst den anderen sogar von Zeit zu Zeit. Und kann einfach keinen Schlussstrich ziehen, weil man doch irgendwie aneinander hängt. So geht es mir mit Facebook. 

Alles hat so schön begonnen, damals, im Jahr 2008. Aufregende Kennenlernphase, alles neu, alles spannend. Dass daraus eine Liebe meines Lebens werden würde, hatte ich nicht vermutet. Aber genau so kam es: Facebook ist mein Partner geworden. Wir sind zusammen aufgewacht und zusammen eingeschlafen, ohne dass ich mir darüber groß Gedanken gemacht hätte. Das fing erst vor zwei Jahren an, als ich mich immer öfter dabei ertappte, ewig lange im Newsfeed zu scrollen ohne zu wissen, was ich suche und einfach Zeit verschwendet habe. Aber das kann man sich natürlich nur zähneknirschend eingestehen. Dazwischen lagen Jahre einer stetig wachsenden Liebe, einer immer selbstverständlicher werdenden Abhängigkeit. 

Facebook – ein Rückblick

Zaghaft hatte alles begonnen, als Facebook nach und nach StudiVZ ablöste und nach den ersten Jahren zum sozialen Netzwerk Nummer eins wurde. Im Jahr meiner Anmeldung, 2008 wurde die Chat-Funktion als Nachrichtenversand in Echtzeit aktiviert, während sich bis dato alles nur auf den Pinnwänden abspielte.

Ein Jahr zuvor ward eine weitere bahnbrechende Neuigkeiten vollzogen: Ab diesem Zeitpunkt konnte man auch Fan-Seiten erstellen, die nicht als sogenannter User- oder Personen-Account registriert, sondern von Administratoren verwaltet werden. Marken, Unternehmen und Künstler konnten nun Facebook-Seiten aufbauen und zum Beispiel Beiträge und Bilder auf ihrer Pinnwand veröffentlichen, die von jedem kommentiert und geteilt werden können – eine Revolution für den Bereich Public Relations: dialogische, öffentliche Echtzeitkommunikation. 

 

Facebook als sozialer Kleber

Es war ein schleichender Prozess zwischen dem unter anderem auch die Phase der lustigen Tiervideos lag; irgendwann ging es bei Facebook doch um nichts anderes mehr. Selfie hier, Urlaubsfoto da, Bilder vom ach so tollen Essen. Plötzlich und ganz selbstverständlich spielte sich irgendwann das komplette Leben auf Facebook ab. Was als Networking- und Informationsplattform begann, ist im Laufe der Zeit zum großen Exhibitionistentreff geworden.

Vorher hatten wir es schön miteinander und haben eine gehaltvolle Beziehung geführt. Ich freute mich, über ein und dieselbe Plattform Kontakt zu vielen Menschen halten zu können, was vor dem Hintergrund, dass ich vom Sauerland nach Berlin und von dort nach Augsburg umgezogen war, um danach in Köln zu landen, sehr bequem und nützlich war.

Egal ob Gruppen beitreten oder Informationen zu Events einholen – ohne Facebook ging gefühlt gar nichts mehr. Ich fühlte mich aufgeschmissen und nicht dazugehörig, wenn ich mal gezwungenermaßen ein paar Tage off war. Facebook als sozialer Kleber. Wie Alkohol.

Statt Nummern tauschte man irgendwann die Facebook-Kontakte aus.

Man sprach in der Unibibliothek und bei der Arbeit plötzlich nicht mehr über die neusten Entwicklungen im Dschungelcamp, sondern über die Postings zur aktuellen „Zirkus Halli Galli“-Folge. Wer nicht bei Facebook war, wusste nicht, was für eine grandiose Social Media-Kampagne die BVG von Berlin aus fährt. Überhaupt waren diese Relikte, die nicht bei Facebook angemeldet sind, ja schon immer dubios. Wie Aussätzige. „Wie, du bist nicht bei Facebook?!“.

Dabei hatte das Netzwerk doch mittlerweile schon die klassische Frage nach der Telefonnummer ersetzt, statt Nummern tauschte man irgendwann die Facebook-Kontakte aus … das muss man sich mal überlegen. Die Macht von Facebook, allgegenwärtig.

Die erste Krise

Einen neuen Boost erhielt unsere Beziehung als ich 2016 meine Website gelauncht habe. Ohne Facebook wäre ich nie auf solch phänomenale Abrufzahlen gekommen – Facebook war mein Hauptwerbekanal, ich featurete meine Bloggeschichten über meine dazugehörige Facebookseite und die Unternehmen, über die ich schrieb, teilten meine Beiträge. Dafür war ich Facebook zu tiefstem Dank verpflichtet. 

Doch unsere Beziehung erfuhr einen tiefen Knacks durch den Vertrauensbruch als Facebook seine Algorithmen und den Newsfeed geändert hat. Der Facebook-Algorithmus bestimmt, was Nutzer in seinem Newsfeed zu sehen bekommt. Dass er enorme Auswirkungen auf das Facebook-Erlebnis hat, ist noch untertrieben ausgedrückt. Durch die Neuerung war es plötzlich schwieriger denn je, mit organischem Content Aufmerksamkeit und Reichweite zu generieren. Nicht nur für große Unternehmen und Institutionen, sondern erst recht für Privatpersonen wie mich. Kleine und große Blogger zogen nach und nach zu Instagram um, weil auf Facebook einfach nichts mehr ging. 

Heute fragt man nicht mehr: „Bist du bei Facebook“, sondern: „Bist du bei Insta?“

Zwar bleibt Facebook mit 23 Millionen täglichen Usern in Deutschland die unangefochtene Nummer Eins und Instagram stinkt mit seinen 6 deutschen Millionen dagegen quantitativ ziemlich ab, doch wir haben es alle gemerkt: Das eine Netzwerk hat das andere abgelöst. Heute fragt man nicht mehr: „Bist du bei Facebook“, sondern: „Bist du bei Insta?“. 

Facebook ist einfach unsexy geworden, nicht nur durch den neuen Algorithmus, der sich in allgemein massiv gesunkenen Likezahlen widerspiegelt – am Ende des Tages sind wir ja doch alle geil auf diese soziale Währung. Auch die ewigen Datenschutzskandale sowie die übertrieben eingesetzte personalisierte Werbung haben Facebook unattraktiv, seelenlos und unglaubwürdig gemacht. 

Instagram ist nunmal sexyer

Für die U-20-jährigen Digital Natives hat Facebook ohnehin nie eine Rolle gespielt. Out und altersschwach. Und die Youngsters haben ja Recht: Instagram ist schlichtweg zeitgemäßer, weil visueller und schneller.

Auch ich bin mittlerweile ziemlich in Insta verschossen. Nur nicht in die Stories, die täglich weltweit von 500 Millionen Menschen genutzt werden. Die finde ich schier bescheuert weil viel zu kurzweilig. Ich stehe wohl auf lange Beziehungen. Ganz gehen geht nicht, lieber Herr Facebook. Man muss schon zwischendurch mal checken, was so passiert in der Blubberblase. In der Welt, die ich mir gemacht habe, wie sie mir gefällt. Aber sieh mir nach, dass du mich teilen musst. Wenn du der sichere Hafen der Ehe bist, ist Instagram mein Toyboy mit der Aussicht auf mehr.

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