Frühling: Ist das noch Köln?
Es ist ein sonniger Tag im März, die Vögel zwitschern, der Himmel ist blau. Ich verlasse hochmotiviert und ausgeschlafen meine Wohnung und komme nicht umher, mich zu fragen: Kölle, bist du's? Oder bin ich spontan in ein Paralleluniversum gehüpft? Denn eines ist klar – normal ist das hier nicht. Die letzten Tage in unserer schönen Stadt haben sich angefühlt, als hätte ich ein brandneues Leben – vor altbekannter Kulisse.
Aber wieso fühlt es sich gerade so an, als hätte meine Realität ein saftiges Update bekommen? Die Parameter in dieser schönen, neuen Welt scheinen nämlich erst mal dieselben zu sein: Dom? Steht auch in diesem Universum noch. Rhein? Ist auch noch da. Kölsch? Wartet im Büdchen. KVB? Kommt zu spät. So weit so gut. Aber eine Kleinigkeit ist eben doch ganz anders und hat unser Leben drastisch verändert. Trommelwirbel: Der Frühling ist da!
Kölle ist endlich wieder die beste Stadt der Welt.
„Drastisch verändert“ ist in diesem Zusammenhang natürlich eine maßlose Untertreibung. Weltverändernd trifft es wohl eher: Der Frühling hat die letzten, kümmerlich vor sich hin vegetierenden Motivationszellen aus meinem Körper gerissen und ihnen einen fetten Energy Drink verpasst, meine Pläne für einen fluchtartigen Umzug ans Mittelmeer über den Haufen geworfen und mir ins Gesicht geschrien: Kölle ist endlich wieder die beste Stadt der Welt!
Leben ohne Frühling = Leben ohne Sinn
Die beste Stadt ist Kölle, ganz ohne Zweifel. Aber mal im Ernst: Ohne Sonne ist’s hier einfach nur halb so schön. Es soll ja diese Menschen geben, die den Herbst oder Winter tatsächlich für die schönsten Jahreszeiten halten. Das können aber nun wirklich keine Kölner*innen sein. Statt eiskalten Temperaturen, blauem Himmel oder einer schneebedeckten Landschaft gibts hier sechs Monate lang eine regnerisch-düstere Situation bei nichtssagenden neun Grad. Schrecklich.
So schrecklich, dass ich manchmal schon vergesse, wieso ich diese Stadt eigentlich so liebe. Das vergesse ich immer dann, wenn meine Freund*innen sich am liebsten mit Netflix und Co. auf die Couch verziehen, meine Hände beim Kioskbierchen buchstäblich abfrieren, der Brüsseler Platz nichts weiter ist als eine Menge Steine und Pflanzen, und man hinter Schal, Mütze und Mundschutz kein einziges Gesicht der freundlichen Kölner*innen entdecken kann. Wenn eine Mauer vom perfekten Feierabend-Spot zu dem wird, was sie für Nicht-Kölner*innen immer schon war: einfach nur eine Mauer. Ich bin mir sicher, dass ich dieses blöde Einheitsgrau nicht mehr lange ertragen hätte.
Aber wisst ihr was? Jetzt ist Schluss – wir haben eines Morgens die Augen geöffnet und uns in einem völlig neuen Universum wiedergefunden. In einem, in dem die ganze Stadt voller Aperol-Gläser in tiefem Orange leuchtet, in dem wir endlich wieder Freund*innen zufällig am Kiosk begegnen, in dem es auf den Wiesen blüht und die Kölner*innen aus so vielen Löchern kriechen, als wäre die Stadt ein großer Schweizer Käse.
Kurz: Das Leben in Kölle hat endlich wieder einen Sinn – zumindest für die nächsten sechs Monate. Dann müssen wir uns alle gut festhalten und hoffen, dass wir nicht wieder in das graue Parallel-Köln zurückhüpfen. Aber das soll jetzt nicht unsere Sorge sein – wir haben erst mal genug damit zu tun, jede Sekunde in dieser wunderbar sonnigen Stadt in vollen Zügen zu genießen. Frühling in Köln – ja, du bist es wirklich!