Theodor Wonja Michael – NRWs erste Schwarze Bibliothek eröffnet in Köln

© Carolin Franz

Geschichten werden hierzulande meist aus weißer Perspektive erzählt – nicht nur in Büchern, sondern auch in Alltagssituationen, Klassenzimmern, in Nachrichten, Filmen und Gesprächen. An einem ganz besonderen Ort in Köln soll sich das jetzt ändern: An der Victoriastraße hat die erste Schwarze Bibliothek NRWs eröffnet. Romane und Sachbücher, Kinderbücher und Biografien, Bücher von afrodeutschen Autor*innen, aber auch Literatur aus Afrika oder den USA – all das steht vereint unter einem Dach in der Theodor Wonja Michael Bibliothek.

Die Bibliothek, die sich in den Räumlichkeiten des Sonnenblumen Community Development Group e.V. befindet, lenkt den Blick auf die Diversität und Geschichte Schwarzer Kultur – rassismuskritisch und empowernd. Entstanden ist diese Idee schon vor zwei Jahren: Nach der Black-Lives-Matter-Demo zum Tod von George Floyd im Juni 2020 kamen Demonstrierende und Menschen aus dem Verein zusammen. Njoula Baryoh, eine der Mitbegründer*innen der Bibliothek, war auch dabei und hat uns vom Tatendrang erzählt, der damals entstanden ist: „Jetzt kommen wir zusammen, sind wieder voller Trauer, voller Wut, voller Emotionen (…) Wir haben uns gefragt: Wie können wir die Energie nutzen?“

© Carolin Franz
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Schnell wurden ehrenamtliche Teams gegründet und die Idee für eine Schwarze Bibliothek entstand. Was damals ein Wunsch vieler war, ist heute Wirklichkeit: Seit Mitte Februar öffnet die Präsenzbibliothek samstags und sonntags ihre Türen und lädt zum Austausch und Stöbern ein, auch Veranstaltungen und Lesungen sollen hier stattfinden. Kinderbücher und Spielzeug für die Kleinen sollen bald einen eigenen Raum füllen, in dem aktuell noch Spenden für Schwarze Geflüchtete an den ukrainischen Grenzen gesammelt werden. Der nächste Traum sind größere Räumlichkeiten – mit mehr Platz für Literatur, Bildungsarbeit und zum Zusammenkommen. Weil hier alles ehrenamtlich läuft, setzt der Verein dafür auf die Unterstützung der Stadt.

Obwohl die TWM Bibliothek primär ein Ort für und von Schwarzen Menschen ist, ist natürlich jede*r willkommen. „Wenn wir sagen, wir möchten die Narrative Schwarzer Menschen ändern, dann machen wir das ja nicht nur für uns – das muss die ganze Zivilgesellschaft mitbekommen“, weiß Njoula Baryoh. Ihr ist es außerdem besonders wichtig, einen Ort zu schaffen, an dem Kinder eine Alternative zu weißen Geschichten bekommen – und sich endlich auch in Kinderbüchern widererkennen können.

© Carolin Franz
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Der Buchbestand setzt sich bisher hauptsächlich aus Spenden zusammen – ein Großteil stammt aus dem Nachlass von Theodor Wonja Michael, dem Namensgeber der Bibliothek. Er war nicht nur Schauspieler, Journalist und Beamter des Bundesnachrichtendienstes, sondern auch einer der letzten afrodeutschen Zeitzeugen der NS-Zeit. Seine letzten Jahre verbrachte er hier in Köln, bis er 2019 verstarb – zurückgelassen hat er eine Büchersammlung, die jetzt der Allgemeinheit zur Verfügung steht.

Das ehrenamtliche Team der Bibliothek hat die Büchersammlung sorgfältig kuratiert und mit anderen Spenden und einigen Ankäufen kombiniert – Bücher- oder Geldspenden nimmt der Verein auch weiterhin an. Klar ist: Das ist erst der Anfang. Wenn erstmal alles katalogisiert ist, sollen die Bücher auch zur Ausleihe verfügbar sein und mit größeren Räumlichkeiten könnten noch mehr Menschen von der Arbeit profitieren, die in dieses Projekt fließt. Aber auch jetzt schon wird Köln durch diesen ganz besonderen, neuen Ort in der Innenstadt bereichert. 

© Carolin Franz

Theodor Wonja Michael Bibliothek | Victoriastraße 6–8, 50668 Köln | Samstag – Sonntag: 12–18 Uhr | Mehr Info

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