Modebanausen oder Fashion Victims – wie modisch ist Köln?

© Ben Hammer | Gaffel

Köln ist bekannt für Karneval, lecker Kölsch und die ungezwungene und gesellige Mentalität der Menschen – doch wie sieht es mit dem Style aus? Haben die Outfits der Kölner*innen mehr zu bieten als Karnevalskostüme – und schlummert in der Domstadt eine kleine Fashion-Metropole? Dieser Frage ist unser Autor Rami Michael Eiserfey auf den Grund gegangen.

Denken wir an Modemetropolen auf der Welt, kommen uns Städte wie Paris, Mailand, New York oder Tokio in den Sinn. Ihre Reputation haben sich diese Städte erarbeitet durch inländische Labels, die weltweite Erfolge feiern. Comme des Garçons bringt Tokio auf die Landkarte, Louis Vuitton und Dior sichern Paris den Status als Modehauptstadt, während italienische Labels wie Dolce & Gabbana Mailand in den weltweiten Fokus rücken.

Und was macht Köln? Zwischen Dom und Rhein scheint der Hunger nach Trends und Catwalks gar nicht erst aufzukommen. Während man in Berlin durch Publikationen wie 032c oder in München mit Labels wie Adidas oder A Kind of Guise modisch in allen Belangen bleibt, lehnen sich die Kölner*innen lieber zurück und schunkeln eher am roten Teppich, statt sich selbst in den Vordergrund zu drängen. Doch wer jetzt denkt, dass Mode und Köln nicht zusammenpassen, irrt gewaltig.

© NoFaithStudios

Aufmerksamen Leser*innen wird aufgefallen sein, dass wir bereits über einige Stores in Köln berichtet haben, die ihren Teil zum modischen Geschehen beitragen. Vintage-Läden wie Fabrik der Edlen statten die Kölner*innen mit Fashion aus den letzten fünf Jahrzehnten aus, während man im Atelier progressive Brands wie A-Cold-Wall oder Raf Simons findet.

Der Berliner Sneaker- und Streetwear-Riese Overkill hat ebenfalls seine Pforten nahe des Rudolfplatzes eröffnet und versorgt uns mit Turnschuhen, die irgendwo zwischen Alltagstreter und Wertanlage liegen. Und wer mehr Geld als Geschmack hat, kann bei Apropos an der Mittelstraße Luxusmarken kaufen und den Shopping-Ausflug mit einem Gläschen Prosecco im ladeneigenen Restaurant abrunden.

Zudem sind junge Labels wie Enemy Earth bereits fester Teil der Gen-Z-Garderobe, während das Label No Faith Studios gerade dabei ist, die Pariser Fashion Week mit der rheinländischen Antwort auf Rick Owens zu erobern.

Und genau deswegen ist Köln anders als Berlin, aber nicht zwingend weniger stylisch.

An Möglichkeiten mangelt es also nicht. Der Grund, warum Köln nicht als Modemetropole wahrgenommen wird, hat also eher etwas mit der Mentalität und weniger mit der Stadt zu tun.

Vergleichen wir Köln mit der deutschen (Mode-)Hauptstadt Berlin: Es scheint so, als würde dort jeder Trend in Deutschland seinen Anfang finden. Egal, mit wem man redet: Graffiti-Sprayer*innen aus Marzahn oder Studierende aus Prenzlberg – sie alle waren schon mal Stylist*innen hierfür oder Fotograf*innen dafür und werden auch nicht müde, einem das bei jeder Gelegenheit ungefragt aufs Brot zu schmieren.

Die ganze Stadt steht im kontinuierlichen Wettbewerb und ist durchtränkt vom ewigen Drang, sich zu beweisen, zu profilieren und mehr vorzugeben, als man eigentlich ist. Wer 100 Mal am Tag schreit "Ich bin Fashion", wird von Marken, Fans und auch dem Internet irgendwann eben auch als Fashion-Destination wahrgenommen. Und genau deswegen ist Köln anders, aber nicht zwingend weniger stylisch.

Was Trends betrifft, hinterfragen die Kölner*innen diese eher mit einem "Wat sull dä Quatsch", bevor sie blindlings auf jeden Zug aufspringen.

Während man anderenorts darauf bedacht ist, die eigene modische Expertise zu jeder Gelegenheit herauszuposaunen, werden in Köln eher bescheidenere Töne angestimmt. Die Kölner Mentalität speist sich aus dem Kölschen Grundgesetz, in dem quasi die Hälfte aller Paragraphen vorgibt, sich keinen Stress zu machen, die Dinge passieren zu lassen und auch nicht jedem Trend zu folgen.

Dank dieses Kredos lebt es sich in der Domstadt unbeschwert und entspannt. Man muss keine Erwartungen erfüllen – außer die eigenen. Was Trends betrifft, hinterfragen die Kölner*innen diese eher mit einem "Wat sull dä Quatsch", bevor sie blindlings auf jeden Zug aufspringen. Mit einem "Et kütt wie et kütt" schaut man saisonalen Styles und Trends eher gelassen zu, statt selbst zu partizipieren. Und ohne es zu wissen, haben die Kölner*innen auf diese Weise das Marketing der Modebranche ausgehebelt.

Während in der Modebranche ein Trend den nächsten jagt, neigen die Kölner*innen dazu, sich ihre Garderobe eher nach Gusto und nicht nach Hype auszusuchen. Teile, die heute gekauft werden, machen auch in einem Jahr noch Spaß. Und das Stöbern auf dem Flohmarkt gibt vielen Kölner*innen einfach mehr als Online-Shopping für limitierte Artikel.

Wären Berlin und Köln Fashion-Brands, wäre Berlin wahrscheinlich Balenciaga und Köln Carhartt.

Wären Berlin und Köln Fashion-Brands, wäre Berlin wahrscheinlich Balenciaga – historisch, auf dem Peak seines Erfolgs, crazy und vor allem sehr bemüht, jeden Trend mitzunehmen. Köln hingegen wäre Carhartt – eine Marke, die keine Ambitionen hat, auf irgendwelchen Bühnen dieser Welt stattzufinden, und die stattdessen eher auf Coolness und zeitlose Qualität setzt.

Weder Carhatt noch Köln orientieren sich an Trends, sondern an Bedürfnissen. Sie folgen ihrem eigenen Instinkt statt irgendwelchen Influencer*innen. Sie kommerzialisieren Subkulturen nicht oder versuchen, ihr einen modischen Stempel aufzudrücken. In Köln verwendet man seine Energie lieber darauf, zu den Kulturen etwas beizutragen – Mode ist da mehr Beiwerk als Einnahmequelle.

Fashion in Köln

Coole Sneaker-Läden
Wer in Köln neue Sneaker kaufen möchte, hat vielleicht nicht eine ganz so große Auswahl wie in Berlin, aber in den folgenden elf Läden werdet ihr sicher fündig und glücklich.
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Schöne Second-Hand-Läden
Wir wollen das Besondere, wir wollen Vintage. Genau deshalb haben wir euch 21 tolle Second-Hand-Adressen in Köln zusammengesucht. Viel Spaß beim Stöbern!
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