Warum Köln immer meine größte Hassliebe bleiben wird

© Felix Marczykowski

Köln ist meine Heimat. Geboren im Klösterchen, Grundschule Mainzer Straße, Abitur am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium auf der Vringsstroß. Mit den Kumpels im Römerpark Fuppes gezockt und danach im Kiosk 24 auf der Alteburger Straße Weingummi gekauft. Als Kind der Gastronomie habe ich in der Gaffelstube am Chlodwigplatz, der Kneipe meiner Eltern, mein erstes Kölsch mit neun oder zehn Jahren gezapft und prompt einen Heiermann für die Taschengeldkasse kassiert.

Wenn ich als kleiner Junge mit meinem Vater über die Merowingerstraße spaziert bin, dann mussten wir alle zehn Meter anhalten, weil minge Paps von allerlei Gästen oder Bekannten angequatscht wurde. E Schwätzje he, e Schwätzje do. Auf der einen Seite hat mich das fasziniert, aber auf der anderen Seite waren diese Begegnungen für mein schüchternes Ich eine ganz schöne Herausforderung. Und so war mir damals schon klar: Hollywood-Star, nein danke!

Aber jedes Mal, wenn ich auf dem Weg zum Flughafen bin, um in den Flieger nach Köln zu steigen, denke ich mir: So schlimm wäre es jetzt auch nicht, wenn ich den Flug verpassen würde...

Doch mit Anonymität ist es in Deutschlands größtem Dorf nicht ganz so einfach, ganz besonders als Kneipenkind. Und so entwickelte ich schon in jungen Jahren etwas, was mich bis heute begleitet: Fernweh. Ich habe sogar das Glück, dieses Fernweh ausleben zu können. Ich habe in Griechenland und der Türkei gelebt, war mehr als ein dutzendmal in den Vereinigten Staaten und durfte viele tolle Städte in Europa besuchen. Für dieses Privileg bin ich unendlich dankbar. Aber jedes Mal, wenn ich auf dem Weg zum Flughafen bin, um in den Flieger nach Köln zu steigen, denke ich mir: So schlimm wäre es jetzt auch nicht, wenn ich den Flug verpassen würde...

Es ist nicht nur das Getratsche und Geschwätz, was mich an oft Köln stört. Schaut mal in die Gesichter der Leute – was seht ihr da? Ganz oft tief heruntergezogene Mundwinkel. Wenn ich hingegen durch das türkische Hafenstädtchen Çeşme spaziere, wo es den Menschen im Durchschnitt sicher nicht besser geht als in Deutschland, dann sehe ich lauter fröhliche Gesichter. Ob das nur am Wetter liegt? Besonders freundlich sind die Kölschen nämlich oft nur nach ein paar Kölsch an der Theke.

Es ist doch toll, wenn sich Menschen aus allen Winkeln dieser Welt in unser Köln verlieben und hier leben wollen!

Aber auch sonst hat sich Köln in den letzten zehn Jahren ziemlich verändert – das merkt man schon an meinem geliebten Chlodwigplatz. Es gibt zahlreiche strukturelle und politische Probleme in der Stadt, auf die wir schon oft eingegangen sind. Natürlich ist nicht alles Mist – keine Frage! Schließlich gehört Veränderung zum Leben dazu und birgt oft auch große Chancen auf Verbesserung. Und ich gehöre auch nicht zu jenen Ur-Kölschen, die sich gegen "Imis" wehren. Es ist doch toll, wenn sich Menschen aus allen Winkeln dieser Welt in unser Köln verlieben und hier leben wollen!

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Viele von euch werden an dieser Stelle trotzdem denken: Warum haut er denn nicht einfach ab? Eine freie Wohnung mehr! Zugegeben, ich habe mir diese Frage auch schon sehr oft gestellt – und doch lande ich immer wieder in "meiner" Südstadt. Wie von Zauberhand finde ich mich immer wieder in dem "Aachhundertmeter-Radius", den mein Namensvetter Wolfgang Niedecken im BAP-Song "Chlodwigplatz" besingt, wieder.

Was bleibt, sind ganz schön viele Wiedersprüche in meinem Herz – kein Wunder also, dass ich meine Beziehung zu Köln seit jeher als "Hassliebe" beschreibe.

Natürlich spielen Freund*innen und Familie eine gewichtige Rolle, aber abgesehen davon ist die kölsche Anziehungskraft oft ein ebenso gewichtiges Rätsel für mich. Ein Rätsel, das ich nach langem Überlegen tatsächlich nur mit einem berühmten Songtitel der Höhner erklären kann: "Hey Kölle, do bes e Jeföhl!" Denn das ist Köln ohne Zweifel: Eine Stadt mit Gefühl und einer ganz verkappten Ausstrahlung. Was bleibt, sind ganz schön viele Wiedersprüche in meinem Herz – kein Wunder also, dass ich meine Beziehung zu Köln seit jeher als "Hassliebe" beschreibe. Und trotz allem Fernweh wahrscheinlich noch für viele Jahre meinen morgendlichen Kaffee nicht in New York, Rio oder Tokio, sondern im Formula Uno im Zugweg trinken werde.

Klartext aus der vergnügten Redaktion

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Liebes Ordnungsamt, wir müssen reden! Ich bin wütend. Auf dich. Klar, das hörst du nicht zum ersten und sicher auch nicht zum Mal.
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Hört auf, jeden neuen Laden als Hipster-Kram zu bashen!
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