Wolfgang Schiffbauer Frische Brauhausküche im Tünnes und Schäl in der Altstadt
Normalerweise sind wir keine Fans der klassischen Altstadt-Gastronomie, schließlich bewahrheiten sich viele der typischen Vorurteile in aller Regelmäßigkeit: Touri-Preise, minderwertige Qualität und die Atmosphäre einer Bahnhofshalle. Umso überraschter waren wir bei unserem Besuch in dem kleinen Brauhaus Tünnes und Schäl direkt am Alter Markt, wo mit all diesen Klischees gebrochen wird.
Wenn man das Tünnes und Schäl betritt, dann fühlt man sich zunächst wie in einer typischen Veedels-Kneipe. Die lange Holztheke mit der schönen Zapfanlage sticht sofort ins Auge, das Brauhaus ist in klassischer "Schlauchform" aufgebaut: vorne die Theke und ein paar Tische entlang der Wand und hinten der weitere Gästebereich. An der Fensterfront warten auch ein paar hohe Tische auf diejenigen, die sich gerne mitten im Geschehen befinden. Der perfekte Platz zum "Leute gucken", wie es die Kölschen seit jeher gerne tun.
Das namensgebende Kölsche Kult-Duo Tünnes und Schäl ist in dem urigen Brauhaus natürlich allgegenwärtig. Tünnes grüßt die Gäste als Bronzefigur, außerdem hängen überall im Laden verteilt Illustrationen der legendären Hänneschen-Figuren. Und das Tünnes und Schäl-Denkmal ist auch direkt um die Ecke. Kein Wunder also, dass Chef Philipp bei der Eröffnung im August 2021 den beiden Figuren ein kleines Denkmal setzen wollte.
Für Philipp war auch direkt klar, dass sich sein Brauhaus von den typischen Touri-Fallen in der Alstadt abheben soll. "Das ist nicht mein Verständnis von Gastronomie", erzählt er uns. Im Tünnes und Schäl wird auf regionale Spezialitäten aus frischen Zutaten gesetzt. Außerdem achtet Philipp darauf, seinen Einkauf mit Bedacht zu machen. Schließlich sollen keine Lebensmittel verschwendet werden. So kann es dann auch schon mal passieren, dass das ein oder andere Gericht zwischenzeitlich ausverkauft ist. Bei unserem Besuch waren das beispielsweise die Flammkuchen – ein geringer Preis für weniger Verschwendung, wie wir finden.
"Wir passen unsere Speisekarte auch den Wünschen der Gäste an", sagt Philipp. "Wir haben zum Beispiel gemerkt, dass Fischgerichte nicht das ganze Jahr gleich gut laufen. Dann nehmen wir die lieber von der Karte, anstatt jede Woche Lebensmittel wegwerfen zu müssen." Die Klassiker der kölschen Brauhaus-Küche sind natürlich auch im Tünnes und Schäl nicht wegzudenken.
Die Speiseauswahl für Veganer*innen und Vegetarier*innen ist für Philipp ebenfalls eine Herzensangelegenheit. Seit einigen Monaten verzichtet der Chef des Tünnes und Schäl nämlich auf Fleisch und Wurst, er lebt als Pescetarier. Aktuell gibt es im Tünnes und Schäl vier vegane Gerichte, darunter ein veganes Schnitzel oder vegane Filetstreifen. "Bei vielen anderen Brauhäusern gibt es für vegan lebende Menschen einen Salat oder mal eine Bowl", erzählt uns Philipp. "Wir wollen hier mehr Auswahl bieten und die Brauhaus-Küche für alle Menschen zugänglich machen. Demnächst wird es auch noch mehr vegetarische und vegane Speisen bei uns geben."
Wir entscheiden uns letztendlich gegen die verlockenden veganen Varianten und für einen Halven Hahn, eine Currywurst mit Pommes und Schäls Brauhausteller. Um dem deftigen Essen die passende Bier-Note zu verleihen, bestellen wir uns dazu ein eiskaltes und frischgezapftes Gaffel Wiess. Der Halve Hahn kommt so, wie man ihn sich in einer Kneipe vorstellt: eine dicke Scheibe leckerer mittelalter Gouda, ein warmes Brötchen, Butter, Zwiebeln – und natürlich Senf. Dazu gibt es ein kleines Salatbouquet. Das Ganze ist stilecht auf einem Holzbrettchen angerichtet und eignet sich perfekt für den kleinen Hunger. Wenn es etwas mehr sein darf, dann bietet sich die Currywurst an. Die Sauce ist selbst gemacht, die Pommes dazu sind kross frittiert und das Prunkstück, die Wurst, ist Metzgerware.
Die Sprache verschlägt uns der Brauhausteller, denn mit einer so großen Portion haben wir in der Altstadt und bei einem Preis von 25,90 Euro nicht gerechnet. Auf einem Bett aus Kartoffelpüree und Sauerkraut sind eine halbe Grillhaxe, eine halbe Bratwurst, eine halbe Bockwurst und drei Nürnberger Rostbratwürstchen angerichtet. Wenn man nicht vor Hunger platzt, dann empfiehlt es sich, Schäls Brauhausteller zu zweit zu bestellen. Alleine stößt man sonst schnell an seine (Magen-)Grenzen. Etwas schade finden wir, dass es Senf, Mayonnaise und Co. aus kleinen Plastiktütchen gibt und nicht aus großen Flaschen – oder gar Steintöpfchen.
Im Tünnes und Schäl gibt es auch Dessert – und natürlich können wir uns das nicht entgehen lassen. Zur Auswahl stehen Apfelstrudel und warmer Schokokuchen mit flüssigem Kern. Nah am Suppenkoma entscheiden wir uns schließlich dafür, einen Nachtisch zu teilen – die Wahl fällt auf den Schokokuchen. Geschmacklich sind wir zufrieden, leider war das Küchlein einen Ticken zu lang im Ofen: Der Kern war nicht mehr flüssig.
Trotzdem: Die herzliche Atmosphäre, die gemütliche und urige Einrichtung, die freundlichen Theken- und Servicekräfte und natürlich das leckere Essen haben den Besuch im Tünnes und Schäl für uns zu einem Vergnügen gemacht – und haben uns gezeigt, dass auch in der Altstadt gastronomisch noch nicht Hopfen und Malz verloren sind.
Die wichtigsten Facts zum Tünnes und Schäl
Besonderheit: Das schnuckelige Brauhaus setzt auf frische Zutaten – und hat sogar eine kleine Karte für Vegetarier*innen und Veganer*innen, die stets erweitert werden soll und über die brauhaustypischen Salate und Bowls hinausgeht.
Mit wem: mit Freund*innen nach einem Bummel durch die Innenstadt
Unbedingt probieren: Schäls Brauhausteller für den großen, den Halven Hahn für den kleinen Hunger
Preise: Schäls Brauhausteller 25,90 Euro, Currywurst 8,90 Euro, Halver Hahn 6,90 Euro, vegane Filetstreifen 15,90 Euro, Schokoladenkuchen 7,90 Euro, Gaffel Wiess vom Fass (0,33l) 3,30 Euro, Gaffel Fassbrause (0,33l) 3,50 Euro. Die gesamte Speisekarte findet ihr hier.
Brauhaus Tünnes und Schäl | Alter Markt 26, 50667 Köln | Montag – Donnerstag, Sonntag: 11.30–21 Uhr, Freitag – Samstag: 11.30–0 Uhr | Mehr Info
