Köln-Kolumne: Auch die lockeren Kölner*innen spielen gerne Großstadt-Sheriff
Wir lieben Köln. Genau darum gehen wir permanent auf Entdeckungstour und teilen jede Woche unsere besten Tipps mit euch. Dabei stoßen wir nicht nur auf spannende Orte, sondern auch auf Gefühle, Stimmungen und Meinungen, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends regelmäßig festhalten. Diese Kolumne ist der Platz, an dem unsere Redaktionsleiterin Christin ihre Gedanken zu Köln und dem, was ihr in der Stadt begegnet, teilt. Heute: Auch die lockeren Kölner*innen spielen gerne Großstadt-Sheriff
Die Kölner*innen geben sich gerne als besonders entspanntes Völkchen. Sogar ein eigenes Grundgesetz haben sie der kölschen Gelassenheit gewidmet. "Et es wie et es" und "Et kütt wie et kütt" heißt es dort. Alles locker, alles easy. Doch seien wir mal ehrlich: Ganz so relaxed, wie sie gerne tun, sind viele Kölner*innen dann eben doch nicht.
Ja, auch bei uns am Rhein spielt sich so manch eine*r gerne als Großstadt-Sheriff auf – und stellt in einem Anflug von Wutbürgertum kurzerhand eigene Regeln auf. Da werden Rasenflächen zur hundefreien Zone erklärt und Hauswände als No-Go-Area für Drahtesel deklariert. Deutsches Spießbürgertum manifestiert in Schildern.
Erlaubt ist sowas freilich nur auf Privatbesitz. Denn wo und wie ein Rad abgestellt werden darf, regelt sonst nun mal die Straßenverkehrsordnung und nicht irgendein Möchtegern-Sheriff. Und auch Hunde dürfen ihr Geschäft – Gott sei Dank – im öffentlichen Raum frei verrichten, solange Herrchen oder Frauchen die Hinterlassenschaften beseitigen.
Im öffentlichen Raum sind nur Schilder der Stadt Köln rechtsverbindlich. Auch wenn von Privatpersonen aufgestellte Schilder oder Hinweise laut Kölner Stadtordnung eigentlich nicht erlaubt sind, werden sie häufig geduldet.
Pressesprecherin der Stadt Köln
Den privaten Schilderwald kann man pingelig und peinlich finden. Doch die Urheber*innen sind wohl noch eine eher harmlose Gattung kölscher Großstadt-Sheriffs. Schließlich hat Köln schon ganz andere Fälle selbsternannter Sittenwächter*innen gesehen – Selbstjustiz inklusive.
Da war zum Beispiel der Familienvater, der in der Südstadt mit einer Böllerschussanlage auf Halsbandsittiche losging, weil er sich von den grünen Papageien gestört fühlte. Da gab es Anwohner*innen, die vom Lärm der Frieda-Bar derart getriggert waren, dass sie die Kneipe mit Buttersäure attackierten. Da ist der Dauerstreit um die Lautstärke am Brüsseler Platz. Da sind die Nachbar*innen, die dafür gesorgt haben, dass das Johann Schäfer Brauhaus um 22 Uhr schließen muss. Da war die Uni, die auf Druck der Anwohner*innen eine Sitzblockade auf dem Zülpicher Mäuerchen installieren ließ. Und da ist – ganz aktuell – der Bewohner von nebenan, der vor Gericht erstritten hat, dass Konzerte und Kabarett in der Volksbühne bald Geschichte sein sollen. Zu laut!
Will man Köln als Kurort für allmächtige Anwohner? Oder will man Köln als Kulturstadt bzw. kosmopolitische Metropole?
Auch wenn in Sachen Volksbühne das letzte Wort noch nicht gesprochen sein dürfte, so zeigen diese Fälle doch: Für Ruhe, Zucht und Ordnung geht auch manch Kölner*in bis zum Äußersten. Und das mitunter sehr erfolgreich. Kein Wunder also, dass das Johann Schäfer schon vor Jahren die Gretchenfrage stellte: "Will man Köln als Kurort für allmächtige Anwohner? Oder will man Köln als Kulturstadt bzw. kosmopolitische Metropole?"
Fest steht: Die Stadt gehört nicht nur Menschen, die sich Wohnungen in Bestlage leisten können und sich dann wundern, dass es dort auch mal lauter werden kann. Die Stadt gehört uns allen. Köln muss leben können – auch ohne ausufernde Verbotskultur. Ja, da braucht es Kompromisse, aber eben auch jene kölsche Gelassenheit, mit der wir uns nach außen hin so gerne brüsten. Wer mitten in der Großstadt ländliche Ruhe einfordert, ist vielleicht doch genau dort besser aufgehoben: auf dem Land. Aber Achtung, die Klage gegen den krähenden Gockel könnte weniger erfolgversprechend sein.