Köln-Kolumne: Ihr baut Ehrenfeld kaputt!

© Christin Otto

Wir lieben Köln. Genau darum gehen wir permanent auf Entdeckungstour und teilen jede Woche unsere besten Tipps mit euch. Dabei stoßen wir nicht nur auf spannende Orte, sondern auch auf Gefühle, Stimmungen und Meinungen, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends regelmäßig festhalten. Diese Kolumne ist der Platz, an dem unsere Redaktionsleiterin Christin ihre Gedanken zu Köln und dem, was ihr in der Stadt begegnet, teilt. Heute: Ihr baut Ehrenfeld kaputt!

Ehrenfeld gibt mir immer öfter das Gefühl, steinalt zu sein. Und das liegt weder am neuen Bubble-Tea-Laden, noch an all den E-Scootern im Veedel. Zwar kann ich mit beidem wenig anfangen, was wohl daran liegen dürfte, dass meine Geburtsurkunde auch nicht mehr taufrisch ist. Aber viel schlimmer ist doch, dass ich immer häufiger denke, dass hier früher alles irgendwie besser war.

Oft erwische ich mich dabei, wie ich durch Ehrenfelds Straßen tingle und mich ein bisschen fühle wie ein alter Kriegsveteran, der diese seltsame neue Welt nicht mehr versteht. Mein geliebtes Ehrenfeld von früher ist zur Großbaustelle mutiert – eine, auf der im Akkord überteuerter Wohnraum aus dem Boden gestampft wird.

Wo früher Clubs wie Underground, Heinz Gaul und Jack Who für ein lebendiges Veedel sorgten, wuchert nun der Rohbeton. Ein Schicksal, das in naher Zukunft auch das Theaterhaus an der Klarastraße ereilen wird. Auch hier lautet das Alternativprogramm: Bau von Luxuswohnungen.

In Reiseführern wird Ehrenfeld immer noch als Kölns alternatives Ausgehviertel gepriesen. Wer Köln wirklich kennt, weiß, dass das längst eine Lüge ist.

Fragt sich nur: Wo soll da noch Raum zum Leben bleiben? Klar, Köln braucht dringend neuen – und vor allem bezahlbaren – Wohnraum. Aber eben nicht nur. Denn einfach nur wohnen kann ich auch auf dem Land. Und das weitaus günstiger. Doch Großstädte – und vor allem Veedel wie Ehrenfeld – leben doch von ihren Möglichkeiten. Aber genau diesen Möglichkeiten wird hier selbst die letzte Luft zum Atmen genommen.

In Reiseführern wird Ehrenfeld derweil immer noch als Kölns alternatives Ausgehviertel gepriesen. Wer Köln wirklich kennt, weiß, dass das längst eine Lüge ist. Richtig gute Clubs kann man hier inzwischen fast an fünf Fingern abzählen. Ein festes Flohmarkt-Gelände? Gibt es nicht. Grünflächen? Mangelware. Und die Stadt? Schaut zu, wie Ehrenfeld kaputt gebaut wird.

Wenn Immobilienhaie einfach nur schalten und walten können, wie sie wollen, kann das weder für Ehrenfeld, noch für kommende Generationen etwas Gutes bedeuten.

Dabei sollte man doch meinen, Politiker*innen hätten für sowas irgendeinen Plan in der Tasche – oder zumindest ein paar Telefonnummern von Menschen im Handy, die sich mit sinnvoller Städteplanung auskennen. Von Profis, die wissen, dass ein lebendiges Veedel eben nicht nur glattpolierte Neubausiedlungen braucht, sondern auch Freiflächen mit Aufenthaltsqualität, Parks, Raum für Kunst, Kultur und Kreativität.

Mag sein, dass es am Alter liegt, dass mich Erinnerungen an ein Ehrenfeld von vor zehn Jahren nostalgisch werden lassen. Dabei bin ich durchaus für Veränderung im Veedel. Kleine inhabergeführte Läden statt der vielen großen Ramsch- und Ein-Euro-Läden an der Venloer Straße? Her damit! Mehr Cafés und Restaurants, um im Sommer nicht ständig an vollbesetzten Terrassen zu scheitern? Gerne! Ehrenfeld muss nicht stehenbleiben, um lebenswert zu sein. Doch wenn Immobilienhaie einfach nur schalten und walten können, wie sie wollen, kann das weder fürs Veedel, noch für kommende Generationen etwas Gutes bedeuten.

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