Rami Michael Eiserfey Der neue Sound of Cologne: 11 vielversprechende Newcomer Artists aus Köln
Von wegen Karnevalsverein! Rund um den Rhein werden von Sürth bis Zollstock Sounds für den nächsten Rave produziert oder Songs geschrieben, die ein paar Monate später auf der Bühne beim Splash!-Festival Zehntausende Fans ausrasten lassen. Vor allem in den vergangenen Jahren kam immer mehr hochqualitative Musik aus der Domstadt, weswegen es an der Zeit ist, ihnen die entsprechende Bühne zu bieten. Und wer weiß: Vielleicht ist in einem Jahr eine Vielzahl dieser Künstler*innen auch schon in den Charts oder auf Europa-Tour. Heute schauen wir uns 11 vielversprechende und unabhängige Newcomer Artists aus Köln an, die das Zeug haben, mit ihrer Musik durchzustarten.
1. DJ Sweet6teen
Ihr sucht melodischen, aber treibenden Techno Sound, der auch um 7 Uhr morgens im komplett vollen Subway Club ein Feuerwerk der Endorphine erzeugt? Dann ist der Sound von DJ Sweet6teen vielleicht genau das, was ihr braucht. Die Wahlkölnerin ist ein Viertel des Party-Kollektivs Phonovision und konnte bereits das Gewölbe sowie die Poller-Wiesen-Bühne so richtig abfackeln. Obwohl sie bis dato noch keine Tracks produziert hat, sind es vor allem ihre pointierten und weise kuratierten Sets, die im Club für brachiale Stimmung sorgen und ihr zu Recht einen Platz in dieser Liste sichern.
2. C0zy0mar
"Zum Rappen gibt's nur einen Grund, das ist der Untergrund", wusste der Kölner Rapper Retrogott bereits vor Jahren zu sagen. Nach diesem Kredo scheint auch C0zy0mar zu leben. Im Corona-Jahr 2020 erschien die erste Single "Tesla" auf den gängigen Streaming Services. Sein Sound findet irgendwo zwischen Shoreline Mafia, Ramirez und Gucci Mane statt – nur auf Deutsch. Dabei ist es vor allem der mühelose Flow gepaart mit schlauen Wortspielen, der uns bei C0zy0mar am meisten zusagt. Also zieht die North-Face-Jacke zu, setzt die Kapuze auf, holt euer Smartphone aus der Louis-Vuitton-Messenger-Bag und pumpt das aktuelle Album "Finesse"! Definitiv ein Release, der noch mehr Aufmerksamkeit verdient hat.
3. Bush.ida
Zugegeben: Weibliches Empowerment und deutscher Hip-Hop sind nicht zwangsweise ein Match made in Heaven. Übergriffige Rapper, sexistische Texte und ein fragwürdiges Rollenbild machen Feminismus im Deutschrap notwendiger als eine Generalprobe bei Kollegahs erstem Splash!-Auftritt. Zum Glück gibt es Rapper*innen wie Ida aka Bush.ida, die seit 2020 Rap rund um die Klitoris macht und sowohl das Patriarchat als auch veraltete Rollenbilder in ihren Texten verurteilt und bekämpft. Tracks wie "Vagida" oder "Plattpfirsich" begeistern nicht nur das Internet, sondern ließen jüngst auch das Publikum des Fusion Festivals springen. Wir sind große Fans ihrer Texte und ihrer Energie, die sich neben Rapper*innen wie Hayiti oder Sokee einreihen kann. Auch wenn Bush.ida Deutschrap vielleicht nicht gänzlich reformiert – zumindest macht sie ihn ein Stück besser.
4. Blokkboys
Der Kölner Untergrund ist aktiv und hat uns zumindest soundtechnisch durch die Corona-Zeit geholfen. Daran beteiligt waren die Blokkboys, zu denen Cgoon, Bada Dinero, Alman 50 und Raresy gehören. Wie der Name schon vermuten lässt, ist der Sound des Kollektivs rough und weitestgehend mit Drill und Street Rap aus UK und den Staaten zu vergleichen. Thronend auf Beats von Snice oder Traya harmonieren die einzelnen Mitglieder der Blokkboys auf reduzierten, harten Klangbetten bestehend aus einer starken Bassline und straighten Bars. Vor allem Fans von Acts wie Lugatti & 9ine sollten bei dem Kölner Kollektiv bestens aufgehoben sein.
5. Tympeso
Wer sich schon mal zu den Beats von Bronko Bammer in einem Moshpit zu einem 2lade Song wiedergefunden hat, sollte auch TymPeso einen Play schenken. Ein melodischer und teilweise verträumter Sound mit spanischen Einflüssen trifft hier auf gnadenlose und durchdringende Bässe sowie Texte irgendwo zwischen Liebe und Herzschmerz. Mit seinem Label "Tracksuit y Maleta" will er dem Lifestyle "zwischen Aktentasche und Tracksuit" den adäquaten Sound schenken. Während wir auf neuen Output des Kölner Rappers warten, bleibt die "La Vida es Linda"-EP treuer Begleiter für warme Sommertage am See.
6. Luma
Geformt vom rauen Wind in Neuss und herübergeweht in die Domstadt ist Tim aka Luma nicht nur Erfinder, sondern auch Fackelträger seines eigenen Genres "Shredder Rap". Was ihr euch darunter vorstellen könnt? Eine Mischung aus Noise, Metal, Grindcore und Hip-Hop, die auf hart gerappte Texte und aggressive Attitude treffen. Neben seinem Sound ist vor allem seine Nähe zu seiner überschaubaren, aber dafür umso treueren Fangruppe Lumas Alleinstellungsmerkmal. Man vernetzt sich, hilft sich, tauscht sich aus – und das alles nur, weil man mehr von dem Wahlkölner hören will. Wer wissen will, wie der Hybrid aus 102 und Ghostemane klingt, kann sich nicht nur auf den gängigen Streaming-Diensten, sondern auch auf TikTok ein Bild von seinem Schaffen machen.
7. Midnide
Hip-Hop ist so divers wie noch nie. Seitdem Kanye West 2008 auf 808s & Heartbreak geheult hat wie ein Schlosshund, können auch die härtesten Männer ihre Herzen auf Raps ausschütten. Dank dieses Phänomens konnten wir uns an Künstlern wie Lil Uzi Vert, Lil Peep oder Bladee erfreuen – und hierzulande an Newcomern wie Rouven aka Midnide. Sein Sound wirkt wie aus einem amerikanischen Teeniefilm und seine Texte drehen sich um Trennungen, Herzschmerz und Gefühle. Daraus ergibt sich eine überraschend tanzbare Kombination, die live funktioniert und gespannt macht, was in Zukunft noch alles von dem Wahlkölner mit Ruhrpott-DNS zu hören sein wird.
8. Reeza
Ihr Debüt feierte die gebürtige Bremerhavenerin Reeza 2020 mit dem Album "Alien". Seitdem versorgt sie ihre Fans mit erfrischendem Neo-R'n'B gepaart mit Trap-Einflüssen, der oft düstere und deepe Themen behandelt. Dass sich viele Fans mit Reeza identifizieren können, liegt aber nicht nur an ihren Texten, sondern auch an ihrer direkten und ungefilterten Art. Obwohl Reezas musikalische Laufbahn schon 2018 begonnen hat, schien es zuletzt so, als würde sich gerade jetzt viel um die Künstlerin tun. Wir raten euch daher, das Treiben der Wahlkölnerin im Auge zu behalten!
9. Dennis Dies Das
Auch wir finden Wein "mucho gusto", allerdings sollten wir nicht vergessen, dass elektronische Beats und treibender Flow lange vor dem Hype um Viko63 existierten. Der Kölner Rapper Dennis Dies Das hat mit seinem Debut "Punch Drunk Love" bereits 2019 unter Beweis gestellt, dass nichts besser zu Technobeats passt als die kölsche Leichtigkeit. Seine Themenwelt macht Laune und bewegt sich irgendwo zwischen Clubnacht und Büdchen. Mit seinem Haus-und-Hof-Produzenten Sascha Urlaub konnte er bereits drei Alben und mehrere Singles auf den Weg bringen. Features mit Künstlern wie Lugatti & 9ine unterstreichen sein Standing in Köln. Auf TikTok lässt er sich von Zehntausenden Follower*innen für seinen futuristischen Sound abfeiern. Der Trend zur Genre-übergreifenden Produktion hält an und der Sound von Dennis Dies Das könnte nicht passender sein. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis auch er auf großen Festival-Bühnen spielt.
10. Traya
Im deutschen Sprechgesang vergisst man gerne mal, dass hinter jedem großartigen Song auch ein*e starke*r Producer*in steckt. So auch bei den Kindern der Küste und deren hauseigenem Produzenten Traya. Der Kölner hat schon das Klangbild für Künstler wie OG Keemo, Lugatti oder Blokkboys kreiert und legt zudem auch solo vor den Konzerten sowie in Clubs wie dem Kwartier auf. Sein Sound ist stark Memphis-inspiriert und bringt die Klangwelten von Three Six Mafia, Suicideboys und Tommy Wright III in die Stadt am Rhein. So konnte man über die Zeit irgendwann heraushören, welcher Beat von Traya stammt – ein Kunststück, das den meisten bis heute nicht gelingt. Wir vertrauen auf Trayas Gespür für gute Sounds, harte Drums und eingängige Melodien und hoffen, dass der Kölner den Sound für die nächsten Jahre weiterhin beeinflusst.
11. 2CB
Der Grund, warum Deutscher Hip-Hop die Charts aktuell so vereinnahmt, ist die Tatsache, dass kaum ein anderes Genre so facettenreich ist wie Rap. Während man in den frühen 2000ern noch das Mindset vertrat, dass Rapper*innen einen bestimmten Sound, Dresscode und eine gewisse Attitude verkörpern sollten, sind der Sound und die einzelnen Charaktere heute so frei wie noch nie. Bestes Beispiel ist die 2CB Crew. Je nachdem, welche Mitglieder auf einem Track sind, ortet sie Spotify mal bei Indie und Pop, mal bei Hip-Hop und R'n'b ein. Die einzelnen Mitglieder (Timor, Seeno, Murphy Trash und Woke) verfügen alle für sich über einen einzigartigen Style, der mit entsprechendem Sound einhergeht. Um einen Eindruck vom vielfältigen Sound der Kölner zu bekommen, empfehlen wir das aktuelle Album "Angst Boi", auf dem sich sogar ein Xatar-Feature befindet.
