Man sieht die Stadt vor lauter Plakaten nicht: Geht Wahlkampf auch besser?
Es ist Freitagnachmittag, vor einigen Monaten, wir befinden uns im PR-Meeting einer x-beliebigen Partei. Während einige schon zusammenpacken und andere sich über die Wochenendpläne austauschen, kommt die größte Aufgabe des Tages auf das Team zu: „So, wir brauchen jetzt noch die Slogans für unsere Wahlplakate! Ihr wisst ja: Schön vage, möglichst nichtssagend, aber natürlich trotzdem richtig episch. Jemand eine Idee?“
So ungefähr stelle ich mir das Szenario vor, das uns dahin gebracht hat, wo wir heute sind. In ein Köln, ein paar Tage vor der Landtagswahl, in dem an jeder Straßenecke irgendein*e Politiker*in von einem Plakat grinst – oder eindringlich seriös guckt – und uns mit profanen Sprüchen dazu bringen will… ja, wozu eigentlich? Sie zu wählen? Das wäre schon sehr ambitioniert.
Schließlich sind die Sprüche auf diesen Wahlplakaten so vorhersehbar und nichtssagend, dass man das Geld wirklich hätte besser investieren können. Denn mal im Ernst: Sich übereinanderstapelnde Wahlplakate an jeder zweiten Straßenecke sind nicht informativ und entwickeln noch dazu spätestens nach zwei Wochen einen absoluten Nerv-Faktor – und sorgten in Köln sogar für regelrechte Engpässe auf Bürgersteigen.
Wir möchten da übrigens keiner spezifischen Partei zu nahe treten – eher allen auf einmal. Die CDU möchte „machen, worauf es ankommt“ (ja, worauf denn?), die SPD „gewinnt für uns das Morgen“ (ein Morgen würde ich mir wohl von jeder Partei wünschen…) und die Grünen haben sich wohl spontan Nena ins PR-Team geholt („Zukunft wird aus Mut gemacht“).
Zugegeben, ein paar Plakate vermitteln ein bisschen mehr Informationen. Wenn die Grünen zur „ersten Stunde Zukunft“ im Klassenzimmer sitzen, die SPD „sozial, digital und klimaneutral“ sein will und die CDU Sicherheit durch „null Toleranz“ verspricht (kann man übrigens auch schnell falsch verstehen), dann erfahre ich von den Parteien ja immerhin genau das, was ich doch sowieso weiß. Dass die Grünen eben grün sind, die SPD sozial und die CDU, naja, sicher? Vielleicht liegt es an mir: Aber ich habe bei jedem dieser Plakate das Gefühl, man wolle mich für dumm verkaufen. Macht man so wirklich noch Wahlkampf im 21. Jahrhundert?
Wieso Zeit und Geld nicht nutzen, um mit Leuten ins Gespräch zu kommen, die sich auch durch bunte Plakate nicht zum Wählen motivieren lassen?
Umfassend informieren kann man durch Plakate nicht, das ist klar. Eine Studie der Universität Hohenheim und des Meinungsforschungsinstituts Forsa zeigte 2021 zwar, dass Plakatwerbung in allen Altersklassen am stärksten wahrgenommen wird – deutlich stärker als zum Beispiel Wahlwerbung im Internet. Dadurch werde aber eher die Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen gelenkt, statt wirklich Einstellungen zu verändern.
Besonders ins Auge fallen übrigens eher Farben und Bilder als Texte und Inhalte. Also ein bisschen so, wie wenn ich eine fetzige Bier-Werbung sehe und irgendwie Lust auf ein Kölsch bekomme. Aber ist die Entscheidung, wen ich wähle, nicht doch etwas komplizierter als die nächste Bierbestellung?
Wieso Zeit und Geld nicht nutzen, damit mehr Infos in die Briefkästen flattern, Online-Kampagnen besser funktionieren oder um mit Leuten ins Gespräch zu kommen, die sich auch durch bunte Plakate nicht zum Wählen motivieren lassen? 2017 waren das immerhin knapp 35 Prozent der Wahlberechtigten.
Die einzige Info, die ich aus der Plakatflut mitnehme, ist übrigens: „Hey, es ist Landtagswahl, vergiss nicht, dein Kreuzchen zu setzen!“ Vielleicht wäre genau das auch die bessere Message: Auf einem großen Sammel-Plakat von allen Parteien – anstelle unzähliger Plakate, die spätestens nach zwei Wochen sowieso alle Fußgänger*innen mit den Augen rollen lassen. Hier also zum Schluss mein ganz persönlicher Wahlplakatslogan: Geht wählen!