Veedeltour – ein Streifzug durch Ehrenfeld

© Christin Otto

Türkische Geschäfte, angesagte Clubs, kleine Boutiquen, hübsche Cafés, schnieke Altbauten und 60er-Jahre-Bausünden – in Ehrenfeld kommt alles zusammen. Das gilt nicht nur für Häuser und Läden, sondern vor allem für die Menschen. Studenten und Rentner, Familien und Singles, Künstler und Steuerberater, Türken, Portugiesen, Italiener, Deutsche – das Veedel ist ein großer Kessel Buntes.

Genau diese Mischung ist es auch, die Ehrenfeld so beliebt macht. Das Veedel ist längst kein Underdog mehr, sondern seit Jahren eines der angesagtesten und damit auch teuersten (Wohn-) Pflaster Kölns.

Das war natürlich nicht immer so. Ehrenfeld wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Arbeiter- und Industriestadt hochgezogen – quasi auf dem Feld, aus dem Nichts heraus. Auf nahezu unbebautem Ackerland entstanden billige Arbeiterwohnungen. Dabei galt Ehrenfeld eine ganze Zeit sogar als eigene Stadt, die Eingemeindung als Stadtteil Kölns folgte erst 1888.

Seine Vergangenheit als Industriestandort sieht man dem Veedel bis heute an. Berühmtestes Überbleibsel ist der Heliosturm. Wie der Leuchtturm mitten aufs Festland kam? Die Helios-Elektrizitätswerke bauten ihn als Firmenwahrzeichen und Testanlage – schließlich bestückte das Unternehmen Leuchttürme in aller Welt mit seinen Leuchtmitteln.

Die Industrie war es auch, die Ehrenfeld zu einem so wachsenden und florierenden Stadtteil machte. Viele Unternehmen siedelten sich hier an – unter anderem hatte 4711 seine Produktion in Ehrenfeld.

Der Zweite Weltkrieg setzte dem ein jähes Ende. Tatsächlich spielten sich während des Nationalsozialismus in Ehrenfeld Szenen ab, die heute so gar nicht mehr zum Image vom weltoffenen Multi-Kulti-Veedel passen wollen. So versammelten sich in der Rheinlandhalle an der Heliosstraße mehr als 10.000 Menschen, um Adolf Hitler zuzujubeln – der hatte dort 1930 nämlich seinen ersten Auftritt in Köln.

Später wurde Ehrenfeld zum Schauplatz verschiedenster Gräueltaten. So wurden an der heutigen Bartholomäus-Schink-Straße 13 Mitglieder der Edelweißpiraten – einer jugendlichen Widerstandsgruppe – erhängt, darunter der 16 Jahre alte Barthel Schink. Heute erinnert an der Hinrichtungsstätte ein Mahnmal und ein großes Wandbild an die Ereignisse.

Nach dem Krieg lagen große Teile Ehrenfelds in Trümmern. Auf den Stadtteil gingen 55 alliierte Luftangriffe nieder. Was folgte, war der Wiederaufbau. Schon bald florierte das Leben wieder und 1957 wurde in den ehemaligen Helios-Produktionshallen sogar Deutschlands erster Supermarkt eröffnet.

Ab den späten 60ern kamen schließlich immer mehr Gastarbeiter aus der Türkei und anderen südeuropäischen Ländern – sie gründeten eigene Geschäfte und Teestuben und machten Ehrenfeld zu dem Melting Pot, der er bis heute oft noch ist.

Der Strukturwandel ging aber natürlich auch an Ehrenfeld nicht spurlos vorbei. Viele Unternehmen mussten schließen und die großen Industriestandorte wurden bald dicht gemacht. In die alten Fabrikhallen zogen stattdessen Ateliers, Clubs und Bars ein.

Künstler und Kreative fühlen sich wohl in Ehrenfeld – und so wundert es auch nicht, dass das Veedel zu den Kölner Street-Art-Hochburgen zählt. Die Heliosstraße, aber auch der Ehrenfelder Bahndamm sind regelrecht gepflastert mit bunten Murals, Paste Ups und Co. Wer mit offenen Augen durch's Veedel läuft, der wird an fast jeder Ecke irgendein kleines Street-Art-Kunstwerk entdecken.

Dennoch sehen sich auch Kunst und Kultur in Ehrenfeld einer wachsenden Bedrohung ausgesetzt: der Gentrifizierung. Weil Wohnraum gefragt, aber auch knapp ist, wird gebaut. Eben diesen Bauvorhaben sind in Ehrenfeld bereits mehrere beliebte Clubs und Locations zum Opfer gefallen: Die Papierfabrik, das Underground und das Jack Who mussten schon weichen, über dem Heinz Gaul kreist bereits die Abrissbirne und wie es nach dem ausgelaufenen Mietvertrag mit dem Barinton weiter geht, ist noch nicht geklärt.

Eine Kult-Location, die sich aller Widerstände zum Trotz gehalten hat, ist das Sonic Ballroom. Die Eckkneipe an der Lichtstraße ist der Inbegriff eines kultigen Punk-Schuppens: Der Laden ist abgerockt, die Namen der Bands, die hier auftreten, haben viele noch nie gehört, und die Spezialität des Hauses ist "Kettenfett". Exklusive Getränkeauswahl? Drauf geschissen! Im Sonic regiert hanseatischer Charme: hart aber herzlich.

Dass es den Laden noch gibt, ist keine Selbstverständlichkeit – schließlich wurde auch diese Szene-Kneipe schon einmal geschlossen. 2003 machte ein Gericht den Laden wegen einer angeblich fehlenden Konzession dicht. Damals demonstrierten mehr als 300 Kölner vor dem Ehrenfelder Bezirksrathaus gegen die Schließung, mit Erfolg.

Über immer wieder spannende Neuzugänge darf sich Ehrenfeld hingegen freuen, wenn's ums Essen geht. Schon seit einer halben Ewigkeit Kult: das Kebapland. Wem der Laden noch nicht wegen der großen Rauchwolke aufgefallen ist, der kennt ihn spätestens seit der Empfehlung von Jan Böhmermann. Fest steht: Wer hier noch keinen Adana-Teller gegessen hat, ist entweder kein echter Ehrenfelder – oder Veganer.

Die einzigen, denen das Kebapland wohl so gar nicht schmeckt, sind die Mitarbeiter der gegenüberliegenden Polizeiwache. Wegen der Rauchschwaden, die der Holzkohlegrill der Imbiss-Bude produziert, herrscht schon seit Jahren dicke Luft. Für viel Geld wurde darum der Schornstein verlängert und an der Anlage geschraubt. Gebracht hat's: nichts. Aber seien wir mal ehrlich: Wer kann sich über die Begleiterscheinungen eines solchen Schmackofatz' schon lange ärgern?

Lecker geht's aber nicht nur im Kebapland zu. Denn: Ehrenfeld hat auf so ziemlich alle Gelüste eine leckere Antwort – seien es nun dicke Zimtschnecken bei Zeit für Brot, vegane Vöner bei Bärenstark, kreative Mezze im Wallczka, erstklassige Burger im Karl Hermanns, fluffige Pizza im "Made in Napoli" oder Falafel Sandwich im Falafel König. Oder doch lieber ein Eis? Fragt sich nur: Ins Eisfeld, zur Eisdielerin oder doch lieber bei Liliana vorbeischauen? In Ehrenfeld habt ihr die Qual der Wahl.

Absolutes Must-Try für alle, die es urig lieben, ist das Haus Scholzen. Das rustikale Ecklokal ist längst eine Institution und wurde sogar schon von der britischen Sunday Times empfohlen. Fest steht: Den Ehrenfelder Senfrostbraten – die Spezialität des Hauses – sollte jeder fleischfressende Ehrenfelder mindestens einmal probiert haben.

Bierliebhabern empfiehlt sich dagegen ein Besuch in der Braustelle – Kölns kleinster und Ehrenfelds einziger Brauerei. 2001 gegründet, hat sich die Braustelle auf eigens hausgebrautes Bier spezialisiert. So kann man hier zum Beispiel das Helios trinken oder ein Ehrenfelder Alt bestellen. Außerdem gibt es ein eigenes Weizenbier, ein Hibiskusbier namens Pink Panther und viele weitere Spezialbiere. Dazu wird deftige Kost wie Bratkartoffeln mit Altbiersauce serviert.

Wer überhaupt nicht ans Essen denken kann, bevor morgens nicht der erste Kaffee inhaliert wurde, der ist in Ehrenfeld auch in dieser Hinsicht bestens versorgt. Das Veedel ist nämlich nicht nur Heimat von unzähligen hübschen Cafés, sondern auch von Kölns ältester Kaffeerösterei – Schamong. Der Familienbetrieb röstet in Ehrenfeld bereits seit 1949 Bohnen. Tradition wird hier bis heute groß geschrieben.

Nicht weniger spannend ist die Geschichte von Van Dyck. Ihre Heimat hat die Rösterei in einem ehemaligen Friseursalon an der Körnerstraße. Mittlerweile werden die Bohnen zwar in Mülheim geröstet, aber der Fünfzigerjahre-Charme des ehemaligen „Figaro von Ihrefeld“ macht den Besuch dennoch zum Erlebnis.

Hinter Van Dyck steht übrigens Martin Keß – und der ist bekanntlich nicht nur Kaffeeliebhaber und Mitbegründer der Kölner TV-Produktionsfirma Brainpool, sondern auch Mann von Charlotte Roche. Dass die beiden mit "Paardiologie" einen der aktuell erfolgreichsten Beziehungspodcasts haben, dürfte keinem entgangen sein.

Für viel Aufmerksamkeit hat 2017 auch die Eröffnung von "The Good Food" gesorgt. Gründerin Nicole hat mit ihrem Laden an der Venloer Straße Pionierarbeit geleistet, denn „The Good Food“ war der erste „Reste“-Supermarkt Deutschlands. Frei nach dem Prinzip "Zahl', was es dir wert ist" gibt es hier Lebensmittel, die sonst in der Tonne landen würden – sei es nun krummes Gemüse oder der Drink, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum kurz bevor steht.

Nachhaltig einzukaufen, ist in Ehrenfeld ohnehin kein Problem mehr: Vor der Kapelle St. Mariä Himmelfahrt gibt es zwei Stände mit frischem Gemüse, Landeiern und Fleischwaren aus der Region, die Metzgerei von Atila Tosun in der Markthalle Körnerstraße ist schon seit Ewigkeiten für ihre erstklassigen Fleischprodukte bekannt, freitags ist Wochenmarkt auf dem Neptunplatz und wem das noch nicht nachhaltig genug ist, der kann bei den Veedelskrämern auch Kosmetik und Co. verpackungsfrei einkaufen.

Auch sonst gibt es für Shopping-Fans viele tolle Adressen in Ehrenfeld – obwohl die vielen Billig- und Euro-Läden an der Venloer Straße zunächst etwas anderes vermuten lassen könnten. Doch wer genau hinschaut und auch mal durch die kleinen Seitenstraßen schlendert, der stößt auf viele hübsche Geschäfte.

Wer hingegen eine Pause im Grünen sucht, den zieht es – vor allem mit Vierbeinern – meist in den Takupark. Skater toben sich dort auch gerne mal in der Salatschüssel aus.

Wenn's eine Nummer kleiner sein darf, breitet man seine Decke im Leo-Amann-Park aus. Der hatte zwar lange nicht den besten Ruf, mausert sich aber mehr und mehr zur familientauglichen Spielwiese. Keine Lust auf Grasflecken? Dann ab zum Alpenerplatz, denn dort trinkt der Ehrenfelder im Sommer abends gerne sein Büdchen-Bier.

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